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Foto: Zwei singende und lachende Teenagerinnen, die Kopfhörer und Sonnenbrillen aufhaben.
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Loslösung von der Familie

Einstellungen und Sichtweisen ändern sich mit der Pubertät. Die Loslösung von Eltern und Elternhaus ist meist ein schwieriger Prozess.

Freiräume durch Loslösung

Wie die Trotzphase ist die Pubertät eine Ablösungsphase von den Eltern. Die Jugendlichen entfernen sich von ihren Eltern, deren Einstellungen und Sichtweisen. Dies ist ein notwendiger und normaler Vorgang, ohne den die eigene Identitätsfindung nicht möglich ist. Er bedeutet nicht, dass die Jugendlichen Sie als seine Eltern jetzt weniger mögen oder nicht mehr respektieren.

Die Kinder und Jugendlichen müssen und wollen sich neue Freiräume innerhalb und außerhalb der Familie erkämpfen. Das bedeutet auch, dass sie sich und ihre Grenzen ausprobieren. Dabei machen sie Fehler, entdecken aber gleichzeitig auch eigene Stärken und Schwächen, und sie lernen dabei sich und ihre Grenzen kennen.

In dieser schwierigen Phase gibt es bei den Jugendlichen sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Auf der einen Seite setzen sie den Eltern Widerstand entgegen, wo es nur geht. Auf der anderen Seite aber benötigen sie die Eltern als Halt und Unterstützung in dieser schwierigen Entwicklungsphase, die den Abschied von der Kindheit, von Gewohntem und Vertrautem bedeutet.

Wie äußert sich der Loslösungsprozess?

Schrill, provokant und lautstark oder zurückgezogen, träumerisch und unerreichbar. So kann sich Ihr Kind in der Pubertät präsentieren. Denn so unterschiedlich Menschen sind, so unterschiedlich äußert sich der Loslösungsprozess von den Eltern.

Häufig ist jedoch Streit ein Ausdruck der Ablösung vom Elternhaus. Dabei wird mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil meist heftiger gestritten. Mütter und Töchter, Väter und Söhne sind sich besonders nahe, sie erkennen sich gegenseitig in dem anderen wie in einem Spiegel. Es entsteht auf der einen Seite Abgrenzung, denn in der Pubertät stellen viele Jugendliche das Frauen- bzw. Männerbild des gleichgeschlechtlichen Elternteils in Frage. Auf der anderen Seite entsteht Konkurrenz, die häufig für die Eltern ein größeres Problem darstellt, da sie die wachsende Stärke der Jugendlichen und damit das eigene Älterwerden deutlich spüren.

Die Loslösung muss sich aber nicht immer in Streit, Gebrüll und Wutausbrüchen (Konflikt in der Familie) äußern. Manche Jugendliche ziehen sich in eine Welt der Phantasie und Träume zurück und scheinen nicht mehr erreichbar zu sein. Auch diese Variante stellt Sie als Eltern auf eine harte Probe, bei der Sie sehr viel Geduld und Verständnis für Ihr Kind aufbringen müssen.

Freundeskreis, Clique, Peergroup

Foto: Drei Jugendliche Skateboarder lehnen an einer Ziegelwand.
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Gleichzeitig mit der Loslösung von der Familie werden im Rahmen der Identitätsfindung die gleichaltrigen Freunde und die Zugehörigkeit zu einer Clique immer wichtiger für die Jugendlichen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Loslösungsprozesses ist die Hinwendung der Jugendlichen zu Gleichaltrigen. Die Familie rückt immer mehr in den Hintergrund, die Freunde, die Clique, die Peergroup nimmt an Bedeutung zu. Hier finden die Jugendlichen Orientierung und Sicherheit und müssen sich unter Gleichaltrigen beweisen, um ihren Platz in der Gruppe zu finden. So schmerzlich diese Ablösung von der Familie für die Eltern häufig ist, so wichtig ist sie für die Entwicklung der Jugendlichen. Hier können sie durch bestimmte Verhaltensweisen, Anerkennung oder auch Ablehnung erfahren, können sich zu selbstbewussten Erwachsenen entwickeln.

Wie aber letztendlich der Prozess der Loslösung verläuft, hängt sehr von der Haltung der Eltern ab. Die einen versuchen das Kind festzuhalten, die andern geben das Kind frei und kümmern sich nicht mehr darum, was es macht und wohin es geht. Beide Haltungen haben negative Auswirkungen auf den Entwicklungsprozess. Besser ist es, wenn Sie als Eltern auch in der Pubertät weiterhin Bezugsperson und Autorität bleiben und eine unterstützend-kontrollierende Haltung einzunehmen. Wichtig ist der Spagat zwischen Grenzen setzen und Freiraum lassen.

Eltern, denen dies gelingt, können damit rechnen, dass sich ihr positives Eltern-Kind-Verhältnis fortsetzt und der Jugendliche die Beziehung zu den Eltern als Hilfe und Orientierung erlebt. Diese Jugendlichen brauchen dann auch nicht extreme und teilweise gefährliche Wege wählen, um sich von den Eltern abzulösen.

Wie können Eltern ihr Kind beim Loslösungsprozess unterstützen?

Das Kind beim Loslösungsprozess zu unterstützen, ist keine leichte Aufgabe für Eltern. Häufig löst dieser Prozess eigene Ängste aus. Zum einen verdeutlichen das langsame Erwachsenwerden der Kinder und ihre zunehmende Stärke das eigene Älterwerden und damit auch ein Stück eigene Schwäche. Diese Ängste haben durchaus ihre Berechtigung, dürfen aber nicht Anlass dafür sein, dass Eltern den normalen Prozess der Loslösung durch übertriebene elterlichen Fürsorge oder Umklammerung behindern. Auch wenn es schwer fällt, sollten Eltern loslassen, damit die Beziehung zu ihren Kindern in eine andere - deswegen aber nicht weniger intensive Beziehung - auf gleichberechtigter Ebene treten kann.
Für die heranwachsenden Kinder ist „Freiheit“ ein zentrales Thema. Die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen und wegen oder trotz dieser Entscheidungen anerkannt und ernst genommen zu werden, unterstützt den Weg zum Erwachsenwerden.

Andere Haarfarbe, Piercing und Tattoos

Foto: Junges Mädchen mit gefärbten Harren und Tattoos auf dem Arm.
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Auf der Suche nach sich selbst setzen sich Jugendliche vermehrt mit den bisher unwidersprochenen Werten der Eltern auseinander.
Die Clique ist jetzt ausschlaggebend für das äußere Erscheinungsbild Ihres Kindes.

Ein gutes „Übungsfeld“ für Eltern, sich großzügig zu zeigen ist zum Beispiel die Kleidung oder die Frisur des Jugendlichen. Aussehen und eine Abgrenzung gegenüber den Eltern in diesem Punkt ist den Jugendlichen jetzt sehr wichtig. Sie fühlen sich ernst genommen, wenn Eltern hier Großzügigkeit zeigen und ihre eigenen Vorstellungen respektieren.

Die Jugendlichen brauchen gerade in der Phase der Loslösung stabile Beziehungen, die verlässlich sind. Deshalb besteht die Kunst der Eltern jetzt darin, ihnen das Gefühl zu vermitteln, dann verfügbar zu sein, wenn sie die Eltern brauchen. Eltern müssen daher eine hohe Sensibilität entwickeln, um zu erkennen, wann ihr Kind ein Gespräch und emotionale Zuwendung sucht oder Körperkontakt braucht.

Müssen sich Eltern in dieser schwierigen Phase alles gefallen lassen?

Nein! Rebellion gehört zwar zum Ablösungsprozess und ist dafür notwendig. Eltern sollten aber immer die eigenen Grenzen verdeutlichen. Grenzüberschreitungen wie etwa verbale und nonverbale Beleidigungen, die sie verletzen, müssen sie nicht hinnehmen.

Lassen Sie sich auf Ihr rebellierendes Kind ein. Das ist manchmal sehr anstrengend. Aber nur so kann es lernen, dass auch Eltern Rechte, Freiräume, Werte haben, die es zu respektieren hat. Auch wenn es sich gerade in einer schwierigen Entwicklungsphase befindet.

Zunächst ist wichtig, dass Sie die Aufsässigkeit Ihres Kindes als normalen Abschnitt in seiner Entwicklung annehmen. Als Eltern fällt Ihnen dabei die Aufgabe zu, neue Grenzen abzustecken. Das führt zwangsläufig zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen. Ihr Kind ist dabei vielleicht nicht sehr wählerisch in seiner Wortwahl. Es wirft Ihnen Beleidigungen an den Kopf und die verletzen Sie. Dann müssen Sie ihm deutlich machen, dass es sich daneben benimmt und Sie durch sein Verhalten verletzt.

Wenn Sie es schaffen, schreien Sie ihm das nicht während der Auseinandersetzung entgegen. Wirkungsvoller ist es, wenn Sie mit Ihrem Kind ein Gespräch suchen, nachdem sich alles wieder beruhigt hat. Das heißt nicht, dass Ihr Kind Sie in Zukunft nicht mehr anschreien, beleidigen, verletzen wird. Sie müssen ihm zeigen, dass es Sie durch sein Verhalten verletzt hat und Sie dort eine Grenze ziehen.

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