Elternbrief Nr. 48

- - Die Puber tät ist überstanden. B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Briefe INHALT 48 Ihr Kind ist flügge – Herzlichen Glückwunsch! Alter: 17–18 Jahre 1 Erwachsene Kinder loslassen 3 Wann ist man erwachsen? 4 Besser zusammen- leben 6 Der Ernst des Lebens 8 Eigenes Einkommen 9 Vorsicht, Schuldenfalle! 11 Was ist eigentlich Bulimie? 13 HIV – Die unter- schätzte Gefahr 14 Minderjährige Studenten Der 18. Geburtstag steht vor der Tür – und auch für Sie als Eltern ist dies ein bedeutsamer Tag. Aufregende, aber manchmal auch ziemlich anstrengende Jahre liegen nun hinter Ihnen. Gemeinsam mit Ihrem Kind haben Sie vie le Stationen durchlaufen – Babyjahre, Kindergarten- und Schulzeit, die Ausbildungsphase. Auch die ersten Partys, die stürmische erste Liebe und den ersten Liebeskummer Ihres Kindes haben Sie gut überstanden. Jetzt ist Ihr Kind flügge geworden und wird irgendwann die Familie verlas sen. Es macht sich auf den Weg in sein eigenes Leben. Ihre „aktive“ Elternzeit ist nun vorbei, aber denken Sie daran: Sie bleiben seine Eltern und werden weiterhin gebraucht! Es ist nicht zu übersehen: Aus im Gegenteil. Im Laufe der Jahre hat sich zwischen Ihnen ein festes Band, eine verlässliche BezieIhrer Tochter ist eine junge Frau, aus Ihrem Sohn ein junger Mann geworden. Die Pubertät ist abgeschlossen, auch wenn es hie und da noch kleine Ausrutscher gibt. Dass Ihr Kind nun fast erwachsen ist, bedeutet nicht, dass Sie als Eltern jetzt „abgeschrieben“ sind, hung entwickelt. Ihr Kind braucht Sie immer noch: als Ratgeber, als Gesprächspartner, als starke Schulter, als Fels in der Brandung. Aber der Kontakt findet jetzt immer mehr auf Augenhöhe statt.

Erwachsen werden bedeutet, auf eigenen Füssen zu stehen. Ihr Sohn, Ihre Tochter ist gerade dabei, sich selbstständig zu machen. In den nächsten Jahren wird viel passieren. Ihr Kind wird eine dauerhafte Partnerschaft aufbauen, sich beruflich entwickeln, es wird sein elterliches Nest verlassen und in eine eigene Wohnung ziehen. Stellen Sie sich ihm dabei nicht in den Weg. Jetzt ist die Zeit, in der Eltern wieder mehr für sich selbst und auch für ihre Paarbeziehung tun können. Das ist wichtig, damit sie sich nicht an ihre Kinder klammern, sondern sich selbst ebenfalls ein neues Leben nach der Familienphase aufbauen. © congerdesign / Pixabay.com 2

Wann ist man erwachsen? Erwachsen werden ist ein vielschichtiger, komplizierter Prozess. Ob jemand schon erwachsen ist oder nicht, machen die Experten an bestimmten Kriterien fest. Als „erwachsen“ gilt, wer eine Ich-Identität aufgebaut hat. Das heißt, man weiß, wer man ist, und ist in der Lage, einen eigenen Lebensstil zu entwickeln; wer neue, reife Beziehungen zu Gleichaltrigen eingehen und erhalten kann; wer sich von der Familie löst und von ihr gefühlsmäßig unabhängig ist; wer seine körperliche Erscheinung annimmt; wer eine sexuelle Identität entwickelt hat; wer über ein Wertesystem und ein moralisches Bewusstsein verfügt. Im Alter von 18 Jahren ist ein Großteil dieser Kriterien erfüllt. Obwohl noch nicht abschließend erforscht, weiß man inzwischen, dass das jugendliche Gehirn während der Pubertät „umgebaut“ wird und sich den Anforderungen der Erwachsenenwelt erst anpassen muss. Dieser Umbau geht jetzt dem Ende zu. Ihr Kind kann sich nun von Ihnen lösen und seinen eigenen Weg finden – es ist erwachsen. Ein beängstigender Gedanke? Nein, Sie brauchen sich um Ihr Kind keine Sorgen zu machen. In den letzten Jahren haben Sie gute und solide Grundsteine für sein künftiges Leben als erwachsener Mensch gelegt. Vertrauen Sie darauf! 3

Jeder hat ein Recht auf Rü cksichtnahme. Besser zusammenleben Die Pubertät haben Ihr Kind und auch Sie als Eltern gut hinter sich gebracht, was allerdings nicht heißt, dass es in der Familie nun keine Konflikte mehr gibt. Ganz im Gegenteil! Sie teilen Ihre Wohnung ja mit einem (oder mehreren) Menschen, die einen eigenen Lebensstil entwickelt haben und ihren eigenen Weg gehen. Ob das nun das Freizeitverhalten betrifft, den Ordnungssinn oder die Ernährungsgewohnheiten: Ihr Kind wird in Vielem anders denken und sich anders verhalten als Sie. Das Zusammenleben kann darum für beide Seiten zur Herausforderung werden. Ihr Sohn wird vielleicht nachts um eins mit Freunden den Kühlschrank leeren, der Freund Ihrer Tochter begegnet Ihnen morgens im Badezimmer. Partys können ausufern und Nachteulen Ihre Nerven strapazieren. Auch die Unordnung der großen Kinder bringt Sie wie viele Eltern zur Weißglut. Was also tun? Mit fast 18 können und wollen Sie Ihrem Kind doch nicht mehr alles vorschreiben! Was Sie allerdings schon erwarten können, ist Rücksichtnahme. Sie als Eltern haben ebenso ein Recht auf Ihren Lebensstil – und der wird wahrscheinlich etwas ruhiger und organisierter sein als der Ihres Sohnes oder Ihrer Tochter. Von Ihrer Seite aus ist natürlich auch Toleranz gefragt: 17-Jährige sind jung, lebendig, bringen Freunde mit, sind vielleicht auch mal laut oder nervig: Freuen Sie sich darüber, dass Ihr Kind so ist, wie es ist, und respektieren Sie auch seine Eigenheiten. Setzen Sie sich zusammen, am besten schon bevor Konflikte ausufern, und legen Sie gemeinsam ein paar Regeln für Ihr Zusammenleben fest. Je nach Familie und ihren Gewohnheiten könnten diese etwa so aussehen: Ihr Kind respektiert Ihre Nachtruhe. Nach zehn oder elf Uhr abends bewegt es sich entsprechend leise in der Wohnung. Gäste sollten während der Woche um diese Zeit nach Hause gehen. Ihr Kind hält in Wohnzimmer und Küche Ordnung, sodass Sie nicht ständig über Turnschuhe stolpern oder benutztes Geschirr wegräumen müssen. 4

MEIN Bereich UNSER Bereich Keine Einmischung! Ihr Kind beteiligt sich an der Hausarbeit. Eine feste Aufgabenverteilung (beispielsweise Müll wegbringen, Geschirr spülen oder Wäsche machen) erspart tägliche Diskussionen. Sie könnten im Gegenzug Folgendes anbieten: Sie lassen Ihr Kind am Wochenende ausschlafen. Während der Woche ist es in Beruf oder Schule gefordert, am Wochenende darf es sich erholen. Das Zimmer Ihres Kindes ist sein Rückzugsort. Dort gelten seine eigenen Ordnungsvorstellungen, Sie mischen sich nicht ein und klopfen an, wenn Sie eintreten wollen. Sie sind offen und gastfreundlich gegenüber den Freunden Ihres Kindes. Nichts ist peinlicher für Jugendliche als mürrische oder arrogante Eltern, für die sie sich vor ihren Freunden schämen müssen. Ihre Tochter, Ihr Sohn bleibt nicht ewig bei Ihnen zu Hause wohnen. Freuen Sie sich über die Zeit, die Sie noch gemeinsam in einem Haushalt verbringen können. Lassen Sie Ihr Kind selbstständig werden, nehmen Sie ihm nicht alles ab und räumen Sie ihm nicht hinterher. Das ist die beste Vorbereitung fürs Erwachsenenleben. 5

Drängen Sie Ihren Rat nicht auf ! Der Ernst des Lebens In der jetzigen Lebensphase zeichnet sich bei vielen Jugendlichen die berufliche Richtung ab. Entweder haben sie bereits eine Ausbildung begonnen oder sie machen gerade Abitur und überlegen, welches Studienfach sie wählen wollen. Dem Ende der Lehrzeit folgt meist auch der nächste Schritt, der Auszug aus dem Elternhaus. Jetzt erhalten Sohn oder Tochter das erste Gehalt und überlegen, sich eine eigene Wohnung zu suchen oder eine Wohngemeinschaft zu gründen. Selbst wenn Heranwachsende eigene Vorstellungen von ihrer Zukunft haben, werden die Eltern oft noch als Ratgeber gebraucht, sei es bei der Wohnungssuche, beim Möbelkauf oder Einrichten der neuen Wohnung. Aber drängen Sie sich nicht auf – Ihr Sohn oder Ihre Tochter wird sich von selbst an Sie wenden, wenn er oder sie Unterstützung braucht. Fragen rund um die neue Wohnung sind übrigens ein ideales Übungsfeld, um den Eltern auf Augenhöhe zu begegnen und von der Rolle des Kindes in die des gleichberechtigten Gegenübers zu wechseln. Wenn Ihr Sohn oder Ihre Tochter gerade vor dem (Fach-) Abitur steht, hat er oder sie vielleicht nur eine vage Vorstellung vom späteren Beruf. Sprechen Sie darüber, finden Sie heraus, wo die Interessen liegen und was man daraus beruflich machen könnte. Vielleicht will ihre Tochter als Au-Pair ins Ausland gehen oder Ihr Sohn ein soziales Jahr in einer Behinderten-Einrichtung machen. Überlegen Sie gemeinsam, wie sinnvoll eine solche Auszeit tatsächlich ist. Wird Ihr Kind die Erfahrungen in einer späteren Ausbildung nutzen können? Oder kann die Auszeit der Orientierung dienen, weil noch nicht so klar ist, wohin die Reise gehen soll? In dieser Situation braucht Ihr Kind Sie und Ihre Lebenserfahrung. Vielleicht geht es darum, eine eingeschlagene Richtung zu überprüfen oder eine ganz neue Alternative zu überlegen. Schließlich kennen Sie Ihr Kind am besten, wissen wo seine Stärken und Schwächen liegen. Begleiten und unterstützen Sie Ihren Sohn, geben Sie Ihrer Tochter das Gefühl, dass Ihnen ihre Zukunft wichtig ist. Hören Sie zu, geben Sie Rat, aber treffen Sie keine Entscheidung! 6

Ihr Kind wird bald von zu Hause ausziehen. © rawpixel / Pixabay.com Wenn Ihr Kind studieren will, wird vielleicht ein Wohnortwechsel notwendig. Besprechen Sie im Vorfeld, was Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter dabei wichtig ist. Will er lieber in ein Studentenwohnheim ziehen? Möchte sie am liebsten alleine oder zusammen mit einer Freundin in einer kleinen Wohnung leben? Auch hier können Sie beraten und unterstützen, wenn Ihr Kind das möchte. Wenn nichts dagegen spricht, können Sie miteinander den Studienort besuchen und gemeinsam auf Wohnungssuche gehen. Aber vielleicht hat Ihr Kind ja schon alles bestens organisiert und braucht nur noch beim Umzug Unterstützung. Lassen Sie ihm möglichst freie Hand, greifen Sie nur ein, wenn es das ausdrücklich möchte. 7

Staatliche Zuschüsse gibt es nur für die erste Ausbildung. Eigenes Einkommen Ihr Kind hat einen Ausbildungsplatz oder seine erste Arbeitsstelle gefunden und ein kleines, aber regelmäßiges Einkommen. Oder hat es vor, ein Studium zu beginnen? Dann kommt das Geld vielleicht zum Teil von den Eltern oder auch vom Staat. Der Monatslohn eines Azubis ist im Ausbildungsvertrag festgelegt und muss mit jedem Ausbildungsjahr ansteigen. In der Regel bewegt er sich zwischen 500 und 800 Euro, abzüglich Sozialabgaben und Steuern. Wer nicht mehr bei den Eltern lebt, weil der Ausbildungsplatz zu weit entfernt ist, kann eine Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) beantragen, allerdings nur für die erste Ausbildung. Berücksichtigt werden die finanziellen Verhältnisse von Azubis und Eltern. Der Antrag muss möglichst vor Ausbildungsbeginn bei der Agentur für Arbeit gestellt werden. Wird der Antrag „dem Grunde nach“ abgelehnt, weil es sich um eine zweite Ausbildung handelt oder der Ausbildungsberuf nicht staatlich anerkannt ist, besteht die Möglichkeit, bei der zuständigen Gemeinde Wohngeld zu beantragen. Wenn das Kind eine Fachschule oder Hochschule besucht, müssen die Eltern die Kosten für die Ausbildung übernehmen. Das gehört zu ihrer Unterhaltspflicht. Überschreitet dies ihre finanziellen Möglichkeiten, kann nach dem Bundesausbildungsgesetz BAföG beantragt werden. In der Regel wird Studierenden eine Hälfte als zinsloses Darlehen gewährt. Die andere Hälfte braucht nicht zurückgezahlt werden. Gefördert werden u. a. das Erststudium und ein Master-Studiengang. Die Förderung richtet sich nach dem Einkommen der Eltern und beträgt max. 735 Euro. Das Kindergeld wird nicht als Einkommen berechnet. Wer nebenbei arbeitet, darf nicht mehr als 450 Euro pro Monat hinzuverdienen, ohne dass es auf die Förderung angerechnet wird. Für eigenes Vermögen gilt ein Freibetrag bis zu 7.500 Euro. Es ist auf jeden Fall sinnvoll, sich im Vorfeld ausführlich zu informieren (s. S.16). (Stand 2018) Kindergeld wird bis Ausbildungsende, aber längstens bis zum 25. Geburtstag des Kindes bezahlt. Anspruchsberechtigt sind die Eltern. Nur wenn sie keinen oder sehr wenig Unterhalt zahlen, kann das Kind die Auszahlung an sich selbst beantragen. 8

OnlineShopping birgt Gefahren. Vorsicht Schuldenfalle! Der Umgang mit Geld will gelernt sein. Im Idealfall haben die jungen Menschen über die letzten Jahre hinweg geübt, sich ihr Taschengeld einzuteilen oder mit der Ausbildungsvergütung gut zurechtzukommen. Doch wenn das nicht der Fall ist? Was ist, wenn Ihr Kind regelmäßig mehr Geld ausgibt als es zur Verfügung hat? Die Verlockungen sind groß – vor allem beim Online-Shopping. Die Bestellung per Mausklick geht so schnell und einfach. Doch dabei verliert man schnell einmal den Überblick, für wie viel Geld im Monat man eigentlich eingekauft hat. Bei Verträgen gilt folgende Regelung: Schließen Minderjährige Verträge ab, sind diese meist „schwebend unwirksam“, das heißt sie werden erst wirksam, wenn die sorgeberechtigten Eltern zustimmen (Ausnahme: Taschengeldparagraph, siehe Elternbrief 44). Liegt die Zustimmung der Eltern bis zum Erreichen der Volljährigkeit nicht vor, kann der junge Erwachsene den Vertrag nach seinem 18. Geburtstag bestätigen. Dann wird der Vertrag wirksam und die Zahlungen werden fällig. Einkaufs- und Vertragsfallen bekommen mit dem Erreichen der Volljährigkeit eine neue Dimension. Die jungen Erwachsenen sind jetzt voll geschäftsfähig und brauchen kein Einverständnis der Eltern mehr. Manche Banken © athree23 / Pixabay.com 9

Mit dem Überziehen des Kontos beginnt oft ein Teufelskreis. räumen von sich aus einen Dispokredit ein, egal ob ein regelmäßiges Einkommen vorliegt oder nicht. Auch andere Kredite werden manchmal allzu leicht an junge Erwachsene vergeben, ohne die Einkommensverhältnisse angemessen zu berücksichtigen. So kann Ihre Tochter nun mithilfe eines Kredits neue Möbel anschaffen oder Ihr Sohn ein Auto auf Raten kaufen. Diese neuen Freiheiten werden manchem jungen Erwachsenen zum Verhängnis. Sie kaufen ein oder bestellen online, indem sie ihr Konto überziehen, und ignorieren die künftigen RaWie man Schulden verhindern kann Nicht mit der EC-Karte bezahlen, sondern nur eine bestimmte Summe pro Woche abheben und damit auskommen; keinen Dispokredit einräumen lassen; keine Ratenkäufe tätigen; nur einkaufen, was man auch gleich bezahlen kann. Generell gilt der Grundsatz: Erst sparen – dann kaufen! ten. Nicht selten beginnt dann ein Teufelskreis: Das Konto wird überzogen, Überziehungszinsen summieren sich. Wenn die Raten nicht bezahlt werden, fallen Säumnisgebühren an, das Konto wird weiter überzogen und die Zinsen erhöhen sich noch mehr. Experten schätzen, dass verschuldete junge Erwachsene im Schnitt 1.800 Euro Schulden angehäuft haben. Natürlich reichen weder das Taschengeld noch die Ausbildungsvergütung, um solche Summen zurückzahlen zu können. Möglicherweise wendet sich Ihr Sohn oder Ihre Tochter dann an Sie mit der Bitte, ihm oder ihr aus der Patsche zu helfen. Aber das wäre das falsche Signal. Selbst wenn Sie über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, sollten Sie nicht vorschnell einspringen und die Schulden Ihres Kindes begleichen. Ihr Kind ist jetzt erwachsen und muss selbst die Verantwortung übernehmen. Es ist schwierig, Schulden ganz alleine in den Griff zu bekommen. Deshalb sind die Schuldnerberatungsstellen eine gute Anlaufstelle. Dort werden gemeinsam mit den jungen Erwachsenen Mittel und Wege gesucht, die Schulden abzubauen und langfristig schuldenfrei zu bleiben. 10

Die Abstände zwischen den Attacken werden immer kürzer. Was ist eigentlich Bulimie? Bulimie wird auch als „Ess-Brech-Sucht“ bezeichnet. Ähnlich wie Magersucht (siehe Elternbrief 41) ist Bulimie eine Essstörung, die allerdings meist später als die Anorexie auftritt. Betroffen sind vor allem Mädchen und junge Frauen, die nicht selten schon einmal magersüchtig waren. © Vidmir Raic / Pixabay.com Junge Menschen mit Bulimie sind meist schlank. Ihr Selbstwertgefühl und ihr Wohlbefinden sind stark von Gewicht und Figur abhängig. Sie leiden unter Heißhungerattacken und können innerhalb kürzester Zeit sehr große Mengen an Essen verschlingen. Anschließend wird das Essen dann absichtlich wieder erbrochen. Dabei haben die Erkrankten starke Schuldgefühle. Ebenso wie Magersüchtige versuchen sie oft, durch extremen Sport ihr Gewicht unter Kontrolle zu halten, oder nehmen Abführmittel oder Appetitzügler. Wie jede Sucht wird auch die Bulimie mit der Zeit stärker, wenn sie nicht behandelt wird. Die Betroffenen haben häufig eine gestörte Selbstwahrnehmung, das heißt sie fühlen sich zu dick, auch wenn sie objektiv betrachtet sehr schlank sind. Auch Selbstverletzungen, Alkohol-, Nikotin- und Medikamentenmissbrauch können bei der Krankheit eine Rolle spielen. So rutschen die Erkrankten immer mehr in die Isolation hinein. 11

„Ich muss immer gut sein und au ch gut aussehen!“ Aber nicht nur die sozialen, auch die körperlichen Folgen einer Bulimie sind massiv. Durch das fortgesetzte Erbrechen werden die Zähne schwer geschädigt: Die Magensäure zerstört den Zahnschmelz. Auch die Speiseröhre kann sich durch die Säure immer wieder entzünden. Im Extremfall kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen, weil der Körper durch Erbrechen und Medikamente langfristig aus dem Gleichgewicht gerät. Was steckt hinter dieser Erkrankung? Eine einfache Erklärung gibt es nicht. Die Ursachen für eine Essstörung sind vielschichtig. In der Regel kommen mehrere Faktoren zusammen. Vordergründig steckt oft eine große Angst vor dem Dickwerden dahinter. Kratzt man an der Oberfläche, haben Betroffene nicht selten ein großes Harmoniebedürfnis und sind konfliktscheu. Sie neigen zum Perfektionismus und haben ein geringes Selbstwertgefühl. Oft haben sie Verlustängste und können sich von der Familie schwer trennen. Aber auch traumatische Erfahrungen wie sexuelle Gewalt können die Ursache für eine Essstörung sein. Was können Sie als Eltern tun? Für regelmäßige medizinische Kontrolle sorgen. Bei lebensbedrohlichen Zuständen den Notarzt rufen oder so schnell wie möglich eine Klinik aufsuchen. Einen Therapieplatz finden. Ziehen Sie auch eine Familientherapie in Erwägung. Stationäre Therapien werden in der Regel in psychosomatischen Kliniken angeboten, deren Adressen Sie bei den Krankenkassen erfahren können. Mancherorts gibt es Selbsthilfegruppen für Essgestörte. Für sich selbst Hilfe suchen. Lassen Sie sich dahingehend beraten, wie Sie als Eltern mit Ihrem Kind und mit seiner Erkrankung umgehen können. 12

Ein Risiko besteht immer. Die unterschätzte Gefahr Laut einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts haben sich im Jahr 2013 bundesweit ca. 3.200 Menschen mit dem HIV-Virus infiziert. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen steckt sich bei sexuellen Kontakten an, aber auch das gemeinsame Benutzen infizierter Spritzen beim Drogengebrauch spielt eine Rolle. Viele Jugendliche zwischen 17 und 18 Jahren haben ihr „erstes Mal“ hinter sich und sind bereits mehrere Beziehungen eingegangen. Mit zunehmender sexueller Aktivität und steigendem Alter der Sexualpartner wächst allerdings auch das Risiko, sich mit HIV anzustecken. Denn die Gefährdung summiert sich: Ihr Kind schläft mit jemandem, der zuvor andere Sexualpartner hatte und diese Partner wiederum andere und so weiter – die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Niemand kann sagen, ob sich in dieser Reihe eine infizierte Person befindet. Es ist wichtig, sich über seine Partnerin oder seinen Partner Gedanken zu machen: Hat sie bereits einige sexuelle Erfahrungen gemacht? Ist er treu oder lässt er sich immer wieder gern verführen? Ein HIV-Test ist dann sinnvoll, wenn ein junges Paar miteinander schlafen will und einer der beiden zuvor bereits Sexualpartner gehabt hat oder während der Beziehung untreu ist. Jugendliche sollten sich dann grundsätzlich zusätzlich zur hormonellen Verhütung mit einem Kondom vor einer möglichen HIV-Infektion schützen. © Pixabay / Pexels.com 13

Im Not fall schnell nach Hause können. Minderjährige Studenten Hat Ihr Kind das (Fach-)Abitur mit 17 gemacht? Und zieht es jetzt zum Studieren in eine andere Stadt? Dass junge Menschen zu Beginn des Studiums noch nicht volljährig sind, ist seit Einführung des achtjährigen Gymnasiums und dem Aussetzen des Wehr- und Zivildienstes nichts Ungewöhnliches mehr. 17-Jährige sind laut Gesetz noch nicht voll geschäftsfähig. Trotz ihrer Hochschulzugangsberechtigung dürfen sie sich ohne Zustimmung der Eltern nicht einmal selbst an einer Universität einschreiben. Auch das Anmieten eines Zimmers in einem Wohnheim oder einer eigenen Wohnung ist ohne Eltern nicht möglich. Viele Alltagsentscheidungen sind diesen Studenten aufgrund ihrer beschränkten Geschäftsfähigkeit erschwert. Bisher lösen die Universitäten das Problem unterschiedlich. Manche erklären nach erfolgter Immatrikulation ihre Studenten mit Vollendung des 17. Lebensjahres innerhalb des Unibetriebes für geschäftsfähig. Andere verlangen die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter. So können sich die minderjährigen Studenten immer zu Lehrveranstaltungen und Prüfungen anmelden, Anträge zur Befreiung des Studienbeitrages stellen, die Universitätsbibliothek und IT-Dienste nutzen und am Hochschulsport teilnehmen. Die Entscheidung, das „Kind“ einfach in eine fremde Stadt ziehen zu lassen, ist für viele Eltern nicht einfach. Sollen sie es weiter behüten oder gehen lassen? Die Entscheidung hängt natürlich immer auch davon ab, wie reif ein junger Mensch mit 17 ist. Während manche schon relativ selbstständig und unternehmungslustig sind, sind andere noch recht kindlich und können sich nur schwer von der Familie lösen. Sie kennen Ihr Kind am besten, sprechen Sie mit Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter darüber und finden Sie heraus, was er oder sie sich zutraut. Wenn Ihr Kind noch unsicher ist, könnte eine Uni ganz in der Nähe der Heimatstadt eine Lösung sein. So kann Ihr Kind öfters heimfahren und sich in seinem Tempo von Ihnen und seiner Familie lösen. Unterstützen Sie es dabei und seien Sie keine Glucke, auch wenn es schwerfällt ... 14

- - - Was wir Ihnen noch sagen wollten ... Sie haben Ihr Kind durch sein ganzes bisheriges Leben begleitet. Und wenn Sie sich Ihren großen Sohn, Ihre große Tochter so anschauen, dürfen Sie zu Recht stolz sein! Wir möchten uns an dieser Stel le von Ihnen verabschieden. Auch für uns war es spannend und bereichernd, Ihnen für die Kindheit und Jugend Ihres Kindes Informationen zur Verfü gung zu stellen und Ihnen in Erziehungsfragen zur Seite zu stehen. Wir hoffen, dass die Elternbriefe des Bayerischen Landesjugendamtes für Sie hilfreich waren und Sie bei der schönen und doch manchmal auch schwe ren Aufgabe, ein Kind großzuziehen, unterstützen konnten. Für den weiteren Lebensweg wünschen wir Ihnen und Ihrem Kind alles Gute! Ihr Bayerisches Landesjugendamt 15

B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim Online-Ratgeber „BAER“, www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Erziehungsberatung ErziehungsberatungErziehungs-, Familien- oder psychologische Beratungsstellen gibt es in nahezu jeder Stadt. Auf der Webseite www.erziehungsberatung.bayern.de sowie www.lag-bayern.de/erziehungsberatung finden Sie eine regionale Übersicht. Berufsfindung Fragen, auch zur finanziellen Unterstützung während der Ausbildung oder des Studiums, beantwortet die Webseite: www.arbeitsagentur.de , Agentur für Arbeit. Auf www.abi.de gibt es Informationen zu Themen wie Berufswahlverfahren, Studienwahl oder Studium/Ausbildung. Über Ausbildung und Ausbildungsplätze informiert die Webseite www.dgb-jugend.de, Deutscher Gewerkschaftsbund. BAföG Auf der Webseite www.studentenwerk.de sowie www.bafög.de finden Sie Infos über das BAföG. Bulimie Informieren Sie sich beim Bayerischen Gesundheitsministerium, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) www.bzga.de oder beim Verein Anad, www.anad.de, „Wege aus der Essstörung". Die Elternbriefe werden gefördert durch: 48 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202148

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