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Foto: Junges Mädchen sitzt lachend auf dem Fußboden in ihrer Wohnung mit gepackten Umzugskartons.
Antonio Guillem / Shutterstock.com

Auszug

Wenn ein Kind von zu Hause auszieht, hinterlässt das bei allen Eltern Wehmut. Unabhängig davon, wie oft sie sich schon gewünscht haben, dass Ihr Nachwuchs sie nicht mehr braucht.

Der Wunsch nach Unabhängigkeit

Das Weggehen des Kindes bedeutet immer einen Einschnitt im Familienleben.

Eingeleitet in der Pubertät, ist die Abnabelung des jungen Menschen von den Eltern irgendwann so weit vollzogen, dass er nicht mehr bei ihnen wohnen möchte. Dann will er draußen erleben, ob er wirklich allein zurechtkommt. Der Wunsch nach Unabhängigkeit drängt ihn aus dem Nest. Dieses Bedürfnis, auf den eigenen Füssen stehen zu wollen, meldet sich häufig um die Zeit der Volljährigkeit herum. Manchmal auch früher, häufig später.

Fast immer aber erzeugt er zwiespältige Gefühle bei den Eltern. Einerseits verletzt sie der Wunsch ihres Kindes, das tägliche Leben allein bewältigen zu wollen. Sie erleben ihn als Zurückweisung, schließlich tun sie doch alles für ihren Sprössling und können nicht verstehen, warum er das Elternhaus verlassen will. Oder sie fragen sich, welche Fehler sie gemacht haben, dass sich dieser Wunsch bei ihrem Kind herausbilden konnte. Andererseits sind sie stolz darauf, dass sich ihr Nachwuchs zutraut, selbstständig leben zu können.

In einem bestimmten Alter ist es normal, dass es den jungen Mensch hinausdrängt. Dann ist es gut, wenn Eltern ihr Kind gehen lassen können. Ihre Trauer, Ihre Wehmut dürfen Sie ihm ruhig zeigen. Vermeiden Sie aber, ihm ein schlechtes Gewissen einzuflößen. Vermutlich würde Ihr Kind nämlich trotzdem ausziehen, nur würde es sich Ihnen gegenüber mit Sicherheit verschließen.

Wie dringend, in welchem Alter und warum manche Kinder von zu Hause ausziehen möchten, ist unterschiedlich. In jedem Fall sollten Sie dieses Bedürfnis ernst nehmen. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber. Auch wenn es noch nicht volljährig ist, kann es berechtigte Gründe für diesen Wunsch geben.

Noch nicht volljährig - warum will unser Kind ausziehen?

Kaum hat es die Phase der Pubertät hinter sich, will Ihr Kind ausziehen. Dieses Bedürfnis nach einer eigenen, unabhängigen Lebensform hat Sie erschreckt. Sie fragen sich, ob Sie etwas falsch gemacht haben, dass Ihr Kind nicht mehr zu Hause wohnen will. Bis jetzt hielten Sie die Beziehung zu Ihrem Kind für gut. Haben Sie sich vielleicht getäuscht? Sind Sie ihm keine liebevollen Eltern?

Ob mit siebzehn, zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren - will Ihr Kind ausziehen, heißt das nicht, dass es nichts mehr mit Ihnen zu tun haben möchte. Es will nur auf eigenen Füßen stehen. Dieser Wunsch zeigt sich beim einen früher, beim anderen später. Im Allgemeinen ist er selten ein Hinweis auf die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung.

Es gibt Siebzehnjährige, die reifer sind, gefestigter und stärker im Leben stehen, als manch ein Zwanzigjähriger. Der jüngere Mensch sucht die Herausforderungen eines Erwachsenenlebens, während sich der Ältere ihnen vielleicht noch nicht gewachsen fühlt. Nicht selten äußern noch viel jüngere Kinder den Wunsch, ausziehen zu wollen.

In der Hochphase der Pubertät (im Allgemeinen zwischen zwölf und 16 Jahren) können die Auseinandersetzungen mit den Eltern sehr heftig werden. Für beide Seiten ist es dann manchmal schwierig, füreinander Verständnis zu zeigen. Äußert Ihr Kind in einer solchen Situation, dass es ausziehen möchte, wehren Sie nicht sofort ab. Eine Lösung für beide Teile wäre zum Beispiel, dass Ihr Kind eine Zeit lang in einer befreundeten Familie lebt. Das kann Wunder wirken!

Manche häusliche Situation ist für junge Menschen so schwer auszuhalten, dass sie sie nicht mehr ertragen wollen. Das kann deshalb sein, weil sich die Eltern ständig streiten oder auch deshalb, weil diese Forderungen an ihr Kind stellen, die es für übertrieben hält. (zum Beispiel, wenn Sie von ihrem fast volljährigen Kind erwarten, dass es abends um 20 Uhr zu Hause ist). Ein Grund kann auch sein, dass die Eltern nicht bereit sind, ihrem Kind zuzuhören oder Gespräche mit ihm meiden. In einem solchen Fall kann die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung sehr wohl Grund für den Wunsch des Kindes sein, ausziehen zu wollen.

Bevor Sie das Anliegen Ihres Sprösslings, ausziehen zu wollen, ohne Überlegung abwehren, halten Sie inne. Schauen Sie sich Ihre Familiensituation an. Holen Sie sich möglicherweise dafür Unterstützung. Außenstehende sehen meist mehr, als man selbst. Anlaufstelle kann hier eine Erziehungs- oder Familienberatungsstelle sein.

Noch nicht volljährig – schafft mein Kind, allein zu leben?

Ihr beinahe volljähriges Kind hat bereits vorsichtig angeklopft, es möchte ausziehen.

Neben der Frage, wie das finanziert werden soll, beunruhigt Sie etwas anderes vielleicht mehr. Sie fragen sich, wie Ihr gerade siebzehnjähriges Kind mit geringen Geldmitteln zurechtkommen oder wie in einem kleinen Zimmerchen leben soll? Kann es mit der Freiheit des Alleinlebens umgehen? Was tut es, wenn es ihm schlecht geht? Wird es schließlich untergehen?

Lehnen Sie den Wunsch Ihres Kindes nicht ohne weiteres ab. Auch nicht, wenn es Ihnen unwahrscheinlich erscheint, dass es der Bewältigung des täglichen Lebens allein gewachsen ist. Zeigen Sie Verständnis für das Bedürfnis Ihres Kindes. Erklären Sie ihm aber, was Sie über sein Weggehen zu dem Zeitpunkt denken. Zeigen Sie ihm ruhig, wie Ihnen zumute ist, ohne Ihrem Kind damit ein schlechtes Gewissen zu machen.

Vielleicht entdecken Sie in einem ruhigen Gespräch, dass Ihr Kind stärker und gefestigter ist, als Sie bisher dachten. Überlegen Sie dann mit ihm zusammen, welche Schwierigkeiten einem Auszug Ihres Kindes im Wege stehen. Versuchen Sie, zusammen dafür eine Lösung zu finden.

Auch wenn Ihr Kind erst 17 ist, kann es der Herausforderung, allein für sich sorgen zu müssen, schon durchaus gewachsen sein.