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Foto: Mann mit Vollbart hat einen Rettungsring umhängen und blickt erstaunt in die Ferne
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Aufsichtspflicht

Eltern sind zur Aufsicht gegenüber ihren minderjährigen Kindern und volljährigen Kindern, die wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands Beaufsichtigung brauchen, verpflichtet (§ 832 BGB).

Aufsichtspflicht und Freiräume im Spannungsfeld

Alle Personen, denen Kinder und Jugendliche anvertraut sind, bewegen sich in einem ständigen Spannungsfeld. Auf der einen Seite steht der Auftrag, sie zu selbstständigem, verantwortungsbewussten Handeln zu erziehen und dabei deren wachsende Fähigkeiten und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Das heißt Kinder und Jugendliche benötigen dafür auch Freiräume, um zu lernen, mit Risiken und Gefahren umzugehen. Auf der anderen Seite bedeutet Aufsichtspflicht, sie und auch Dritte vor Schaden zu bewahren und das Tun dementsprechend zu beaufsichtigen.

Wie die Aufsicht zu führen ist, richtet sich nach den persönlichen Eigenschaften des Kindes, den sonstigen Umständen sowie danach, was dem Aufsichtspflichtigen bei vernünftigen Anforderungen zugemutet werden kann. Zu den persönlichen Eigenschaften des Kindes gehören Alter, Entwicklungsstand, Charaktereigenschaften, bisheriges Verhalten und Erfahrung.

Aufsichtspflicht richtet sich nach dem Alter

An die Aufsicht über einen Dreijährigen werden demnach andere Anforderungen gestellt als an die bei einem Vierzehnjährigen. Die Feststellung, die Aufsichtspflicht richte sich auch nach den sonstigen Umständen, besagt, dass sich Art und Umfang der Aufsicht am Gefährdungsrisiko zu orientieren haben. So sind zum Beispiel die Anforderungen besonders hoch im Straßenverkehr oder beim Umgang mit Waffen und gefährlichen Materialien. Mit dem, was einem verständigen Aufsichtspflichtigen nach vernünftigen Anforderungen zugemutet werden kann, ist gemeint, dass das Handeln pädagogisch nachvollziehbar begründet werden kann. Es wird nicht erwartet, dass ein achtjähriges Kind rund um die Uhr beaufsichtigt werden muss.

Bereits aus den Formulierungen wird deutlich, dass wegen der Situationsabhängigkeit keine Handlungsempfehlungen für eine "richtige" Aufsichtsführung im Einzelfall gegeben werden können. Sie sollten allerdings die nachfolgend genannten Pflichten beachten, um Vorwürfen wegen Aufsichtspflichtverletzung vorzubeugen.

Informationspflicht

Informieren Sie Ihr Kind gemäß seinem Alter und seiner Entwicklung über mögliche Gefahren, zum Beispiel bei Spiel, Sport, im Straßenverkehr, bei Ausflügen. Bei kleineren Kindern wird man das Hantieren mit Werkzeug erklären und vormachen.

Ob, wie, in welchem Umfang und wie oft Kinder informiert und ermahnt werden müssen, richtet sich nach der Einsichtsfähigkeit des Kindes und der Gefahrensituation. Sicher werden Sie manches öfter wiederholen müssen.

Überwachungspflicht

Belehrungen und Ermahnungen allein reichen nicht immer aus. Sie müssen sich auch vergewissern, ob Ihr Kind alles verstanden hat und es auch befolgt.

Das heißt aber nicht, dass ein Kind ständig beaufsichtigt werden muss. Auch das ist abhängig vom Alter und Entwicklungsstand des Kindes sowie der Situation. Urteilsbegründungen zufolge muss bei einem über vierjährigen Kind keine jederzeitige Eingriffsmöglichkeit der Aufsichtsperson mehr gewährleistet sein. Das heißt umgekehrt, dass Sie bei einem kleineren Kind jederzeit in der Lage sein müssen, Gefahren abzuwenden.

Pflicht zum Eingreifen

Falls Ihr Kind sich so verhält, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Schaden erleidet oder anrichtet, ist es Ihre Pflicht einzugreifen.

Wird Ihr Kind von anderen Personen beaufsichtigt, zum Beispiel von der Nachbarin, der Oma, im Kindergarten oder einer Tagesmutter, übernimmt die Person automatisch die Aufsichtspflicht.

Wer haftet, wenn etwas passiert?

Ein Kind, welches das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist für einen Schaden, den es anderen zufügt, nicht verantwortlich und daher nicht haftbar. Kinder vom siebten bis zum zehnten Geburtstag sind für fahrlässig verursachte Schäden nicht verantwortlich, die bei einem Verkehrsunfall mit einem Kfz, einer Schienen- oder Schwebebahn entstehen. Mit dieser, seit dem 1.8.2002 geltenden Regelung trägt der Gesetzgeber der Überforderungssituation von Kindern dieser Altersgruppe im Straßenverkehr Rechnung. Für diese Schäden haftet die Aufsichtsperson, wenn sie die Aufsichtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat.

7- bis 18-Jährige sind für Schäden selbst verantwortlich, soweit die notwendige Einsichtsfähigkeit vorhanden ist und sie vorsätzlich oder fahrlässig handeln. Dies gilt auch für 7- bis 10-Jährige im Straßenverkehr, wenn sie den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben, zum Beispiel durch Bewerfen vorbeifahrender Autos mit Steinen oder bei Schäden im stehenden Verkehr, zum Beispiel fahrlässiger Beschädigungen an parkenden Autos.

Schädigt das Kind einen Dritten, muss die Aufsichtsperson beweisen, dass sie ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt hat. Das gilt auch, wenn sich das Kind verletzt. Hier tritt zwar zunächst die Krankenversicherung ein, die aber bei Verletzung der Aufsichtspflicht Regressansprüche erhebt.

Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung ist daher dringend zu empfehlen. Schäden, die das Kind in Ihrem Haushalt anrichtet, sind jedoch nicht versicherbar.

Beispiele aus der Rechtsprechung

Die Aufsichtspflicht verletzt, wer

  • ein 7-jähriges Kind beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern nicht ständig im Auge behält,
  • ein 6-jähriges Kind nicht vom Rande eines Bauplatzes zurückholt,
  • Kindern ohne Belehrung über Regeln und Gefahren die selbstständige Benutzung eines Fahrrads erlaubt,
  • den Zugang zu Waffen im Elternhaus ermöglicht, obwohl die Vorliebe des 15-Jährigen für Waffen bekannt ist.

Die Aufsichtspflicht verletzt nicht, wer

  • ein 11-jähriges Kind in der Wohnung allein lässt,
  • ein normal entwickeltes, acht bis neun Jahre altes Kind ohne Aufsicht im Freien spielen lässt,
  • ein 5-jähriges Kind auf dem Bürgersteig an einer wenig befahrenen Straße spielen lässt, oder das Radfahren des Kindes auf einer wenig befahrenen Straße nach vorheriger Belehrung erlaubt,
  • einen 6-jährigen Schüler auf dem Schulweg nach häufiger Belehrung und Begleitung nicht ständig beaufsichtigt.

Aber: In jedem neuen Fall vor Gericht werden die konkreten Umstände betrachtet und in ihrem Zusammenwirken neu bedacht.