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Foto: kleiner Junge, der weint
Tamara Iva / Shutterstock.com

Autonomiephase bzw. Trotzphase

Kinder in der frühen Autonomiephase befinden sich in einem Zwiespalt zwischen Trennungsangst und Abenteuergeist. Sie ist ein wichtiger Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung. Alle Kinder durchleben sie.

Wieso kommen Kinder in die Autonomiephase?

Kinder möchten die Welt entdecken, brauchen aber gleichzeitig die Geborgenheit der Eltern. Hin- und hergerissen von beiden Bedürfnissen sind sie verunsichert. Die inneren Spannungen führen oft zu heftigen Gefühlsausbrüchen. Zudem können kleine Kinder ihre Bedürfnisse sprachlich noch nicht ausreichend benennen. Stattdessen äußern sich Wut und Frust oft durch Geschrei und Gesten.

Kinder in der Autonomiephase erleben einen Zwiespalt zwischen Wollen und Können. Sie entdecken ihren eigenen Willen. Aber nicht jede Idee lässt sich verwirklichen, nicht jedes Bedürfnis erfüllen. Das sind Erfahrungen, die für das spätere Leben von großer Bedeutung sind.

Die Autonomiephase ist sehr anstrengend für Eltern und Kind. Auch wenn sie noch so schwierig ist und manche Eltern sich nicht mehr zu helfen wissen: In dieser Zeit macht das Kind einen Schritt, der für sein weiteres Leben und das Zusammenleben wichtig ist: Es lernt, seinen Willen zu steuern. Alle Kinder gehen durch diese Phase.

Stark durch Erziehung: Im Erklärfilm "Hilfe, mein Kind trotzt" finden Sie weitere Tipps im Umgang mit der Autonomiephase.

Wie kann ich einen Trotzanfall vermeiden?

Je besser man sein Kind kennt, desto besser kann man einschätzen, was einen Trotzanfall bzw. Wutausbruch herausfordern kann.

Manche Kinder und Eltern durchleben eine sehr heftige Autonomiephase (Trotzphase). Um diese Zeit weniger anstrengend zu überstehen, einige Tipps für Sie:

Je mehr Freiräume das Kind hat, desto weniger wird es zu Trotzanfällen kommen. Je weniger Neins, desto besser wirken sie. Sinnvolle Richtlinien erleichtern die Orientierung. Machen Sie Ihrem Kind klar, warum diese Grenzen nötig sind. Das Kind braucht aber zusätzlich genügend Freiraum und Entscheidungsmöglichkeiten, damit es seinen eigenen Willen entwickeln kann. Sich für sich selbst einzusetzen, sein Anliegen durchzusetzen, aber auch zurückstecken zu können, sind wichtige und positive Fähigkeiten. Sie müssen allerdings erst gelernt werden.

Schwimmbad, Zoo, Kasperltheater oder Spielplatz? Ein zwei- oder dreijähriges Kind wird durch diese Auswahl an Möglichkeiten dadurch leicht überfordert. Es kann sich noch nicht zwischen zu vielen Alternativen entscheiden. Deshalb ist es in diesem Alter besser, das Kind nicht vor zu viele Möglichkeiten zu stellen.

Ihr Kind braucht aber trotzdem die Erfahrung, dass es mit seinem Willen etwas bewegen kann. Das nennt man "Selbstwirksamkeit“. Überlegen Sie sich, welche Entscheidungen Sie Ihrem Kind überlassen: "Magst du die rote oder die blaue Mütze anziehen?“ oder auch "Möchtest du jetzt Roller fahren oder lieber im Sandkasten spielen?“. So kann Ihr Kind selber entscheiden. Klar ist aber, dass es eine Mütze anziehen wird bzw. dass ins Freie gegangen wird.

Das Kind möchte alles selbst und alleine machen. Geben Sie Ihrem Kind deshalb kleine Aufgaben im Haushalt. Lassen Sie es die Dinge, die es schon kann, selbst erledigen. Dies stärkt sein Selbstvertrauen und seine Fähigkeiten.

Ihr Kind braucht Zeit, um sich auf neue Situationen einzustellen. Ein Beispiel: Jonas spielt auf dem Spielplatz. Die Mutter sagt ihm, dass sie bald losmüssen. Als Jonas sein Spiel beenden muss, ist er wütend, obwohl ihm das Spielende angekündigt wurde. Warum ist er sauer?  

Kleine Kinder verstehen das Konzept von Zeit noch nicht, sie wissen nicht, wie lange z. B. "fünf Minuten“ oder "bald“ sind. Hier kann es helfen, dem Kind zu sagen, was es noch machen kann, bevor eine neue Aktivität beginnt. In unserem Beispiel hätte die Mutter zu Jonas z. B. sagen können: "Du kannst noch dreimal rutschen, dann gehen wir nach Hause. Dort essen wir dann etwas.“

Haben Sie mit dem Kind eine Abmachung getroffen, sollten Sie diese auch selbst einhalten. Um im oben genannten Beispiel zu bleiben: Jonas spielt auf dem Spielplatz. Er und seine Mutter haben ausgemacht, bald zu gehen und dass Jonas deshalb noch dreimal rutschen kann. Nun kommt eine Bekannte zum Sandkasten, mit der Jonas' Mutter lange spricht. Für Jonas ist nun nicht mehr klar, warum er sein Spiel abbrechen soll, wo doch die Mutter auch einfach dableiben kann. Die gleichen Regeln sollten deshalb auch für alle gelten.

Je besser Sie Ihr Kind kennen, desto besser können Sie einschätzen, welche Situationen einen Wutausbruch geradezu herausfordern. Überlegen Sie, ob tatsächlich alle Familienmitglieder stundenlang im Urlaub eine Stadt besichtigen müssen. Oder ob es sinnvoll ist, mit einem müden Kind in den Supermarkt zu gehen.

Spüren Sie, dass das Kind mit einer Situation nicht zurechtkommt, können Sie versuchen, ein Ablenkungsmanöver zu starten. Geben Sie Ihrem Kind im Supermarkt eine altersgerechte Aufgabe. Das kann z. B. diese sein "Du darfst dir Müsli für unser Frühstück morgen aussuchen.“

Wie verhalte ich mich am besten während eines Trotzanfalls?

Wutausbrüche können sehr einschüchternd sein. Einen kühlen Kopf zu behalten, während sich das Kind vollkommen auflehnt, ist nicht leicht. Trotzdem ist dem Kind am meisten geholfen, wenn Sie klar und konsequent bleiben. Je lauter Ihr Kind wird, desto ruhiger sollten Sie werden, auch wenn es extrem schwerfällt. Wer kann aber ruhig bleiben, wenn sich das Kind im Supermarkt schreiend auf den Boden wirft? Die Reaktion der Umwelt, die "gut gemeinten" Ratschläge nicht zu beachten, wenn man sich selbst hilflos der Wut des Kindes ausgeliefert fühlt, ist sehr schwer für Sie und Ihr Ärger steigt? Ihrem Kind geht es vermutlich ganz ähnlich.

Es ist seinen eigenen Aggressionen ausgesetzt und davon überwältigt. Es fühlt sich hilflos und wird dadurch noch wütender. Denn vernünftig oder geduldig sein, das können Kinder noch nicht. Das kindliche Gehirn funktioniert noch anders, als das Gehirn von Erwachsenen. Darum ist es wichtig, dass Sie als erwachsen Person selbst die Ruhe bewahren und Ihr Kind bestmöglich durch den Gefühlsausbruch begleiten. Lange Reden oder logische Argumente werden nicht zu Ihrem Kind durchdringen, Beruhigungsversuche sind quasi zum Scheitern verurteilt. Wiederholen Sie Ihr Anliegen, dann warten Sie ab. Setzen Sie sich neben Ihr Kind oder gehen Sie, wenn Sie wissen, Ihr Kind ist sicher, z. B. kurz aus dem Raum.

Wenn sich Ihr Kind wieder beruhigt hat, braucht es viel Nähe und Ruhe. Es braucht gerade jetzt das Gefühl, angenommen und geliebt zu werden. Dies ist oft nicht ganz einfach, weil man selbst noch durch die Situation aufgeladen ist. Doch ist es für beide Seiten wohltuend, Ruhe einkehren zu lassen.

Wie verhalte ich mich am besten nach einem Trotzanfall?

Nach einem Wutausbruch sind viele Kinder sehr anschmiegsam. Nun ist wichtig, nicht nachtragend zu sein, dem Kind die Nähe zu geben, die es braucht, und zu vermitteln, dass alles gut ist

Alle Beteiligten haben das Bedürfnis, sich zu erholen. Wichtig ist, sich die Zeit zu nehmen, bis sich der Ärger über das Kind gelegt hat. Wenn sich alles beruhigt hat, kann man nochmals darüber reden und auch seine eigene Verhaltensweise erklären. Erklären Sie Ihrem Kind auch seine eigenen Gefühle. „Du warst sauer, weil …“ Geben Sie Ihm Alternativen, was es mit seiner Wut machen kann, anstatt Sachen zu schmeißen oder zu schlagen. Zum Thema „Wut“ gibt es viele anschauliche Bilderbücher, die dieses Gefühl für Kinder verständlicher machen.

Waren Sie ungerecht zu Ihrem Kind oder haben das Kind beschimpft, ist jetzt die Zeit gekommen, wieder Gemeinsamkeit herzustellen. Entschuldigen Sie sich bei Ihrem Kind, wenn Sie überreagiert haben. So lernt Ihr Kind, dass auch Erwachsene Fehler machen und dass eine Entschuldigung danach wichtig ist.