Kinder und Jugendliche suchen gerade in der Pubertät verstärkt nach Vorbildern, um sich an deren Verhalten und auch Körperbildern zu orientieren. Dabei greifen sie stark auf die Medienwelt zurück und suchen sich ihre Stars auf YouTube, Instagram, Snapchat und TikTok.
Laut einer Umfrage (2020) sind die beliebtesten YouTuberinnen der weiblichen Jugendlichen Dagi Bee und Bibi, gefolgt von Julien Bam, Heidi Klum und Shirin David. Diese bringen ihnen die Themen Mode, Make-up, Lifestyle und Beziehung näher. Die männlichen Jugendlichen folgen am liebsten Gronkh, Rezo, Julien Bam, Oliver Pocher und Sami Slimani. Neben dem aktuellen Weltgeschehen und Politik sind es die Bereiche Games, Comedy, Musik, Tanz, Lifestyle, aber auch Beauty und Mode, die ihnen die Blogger näherbringen.
Seitdem sie 13 Jahre alt ist, ist meine Nachbarstochter Sara, wie fast alle Teenager, auf vielen Social-Media-Kanälen unterwegs. Neben Snapchat und Instagram liebt sie TikTok. Sara postet regelmäßig neue Fotos und Bilder von sich und genießt es, wenn sie viele Likes und nette Kommentare bekommt. Was Sara jedoch gerade beschäftigt, ist der Hashtag „Skinny girl“, also „dünnes Mädchen“. Hier präsentieren hübsche, junge Frauen stolz ihre oft viel zu dünnen Arme und Beine und dokumentieren über Wochen ihren Abnehmfortschritt.
Sara zeigt mir begeistert einige dieser Videos. Sie will meine Meinung dazu hören und wissen, ob ich ihr helfen kann, auch solche Videos zu drehen. Ich bin ziemlich entsetzt und hole Saras Mutter Aylin mit dazu. Im Gespräch erklären wir Sara, warum uns diese Challenge Angst macht: Was diese Frauen ihrem Körper mit Diäten antun, ist extrem ungesund und sogar gefährlich. Magersucht ist eine grausame Krankheit, die man nur schwer heilen kann.
Wir versichern Sara, dass sie ein wunderhübsches Mädchen ist, das es nicht nötig hat, diesem Trend nachzueifern. In Zukunft wird Aylin häufiger mit ihrer Tochter über neue TikTok-Trends sprechen und sie noch mehr darin stärken, ihren eigenen Körper so zu akzeptieren, wie er ist.
Wer ein Video, ein Foto oder einen Text ins Netz stellen will, muss zwangsläufig kreativ sein. Kinder und Jugendliche lernen schnell, wie sie Filter verwenden, Videos schneiden und diese mit Musik unterlegen, um gut dazustehen.
Die Selbstdarstellung im Netz, das Sich-selbst-Ausprobieren und die direkte Rückmeldung gerade von Gleichaltrigen, sind für die eigene Identitätsbildung sehr wichtig. Dafür werden über die verschiedenen Communitys neue Kontakte geknüpft, das soziale Miteinander wird im Netz gefördert.
Da fast jeder Star auf mindestens einem Online-Kanal unterwegs ist, können Fans gefühlt live dabei sein, wenn sie oder er einen Ausflug macht, ein neues Produkt testet oder etwas erzählt. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn Ihr Kind ständig kontrollieren muss, wer gerade etwas Neues hochgeladen hat. Das Phänomen heißt „Fomo“ („fear of missing out“): die Angst, etwas zu verpassen. Oder wenn das Bedürfnis nach eigener Aufmerksamkeit durch das ständige Posten neuer Videos oder Bilder im Netz überhand nimmt.
Der „mediale Körperkult“ kann Zweifel am eigenen Körper und damit das Risiko von Essstörungen fördern, da die durch gezielte Bildauswahl und Bildbearbeitungsprogramme vermittelten Ideale nicht zu erreichen sind. Viele Kinder und Jugendliche sehen die verzerrte Medienrealität als Wirklichkeit an und durchschauen den „werbenden“ Charakter gerade bei den attraktiven und begehrenswerten Influencerinnen und Influencern nicht. Ihnen ist nicht bewusst, dass die Wespentaille und der ebenmäßige Teint nur durch den Einsatz diverser Filter ermöglicht wurden. Fatal ist auch, dass Jugendliche diese Filter ebenso anwenden und sich „aufhübschen“ können. Da wird es schwierig für das „echte“ Selbst, mit dem „virtuellen“ Selbst mitzuhalten.
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