Medienbrief 4

PUBERTÄT UND MEDIEN II BAYERISCHES LANDESJUGENDAMT 16 BIS 18 JAHRE MEDIENBRIEF 4 Extremistische im Netz Organisationen Hate Speech Verschwörungen Online Glücksspiele Pornografie ESport Freigegeben ab 16 Jahren Fake News

KATHARINA MICHI LEO SARA TINE ANNE MAX AYLIN 4 3 6 10 14 19 21 23 16 27 3 LIEBE ELTERN, nun ist mein ältester Neffe schon 16. Aber selbst für Eltern mit fast erwachsenen Kindern hört eine Auseinandersetzung mit den Medien nicht auf. Leo spielt zurzeit sehr gerne und sehr viel an seinem Computer. Er hat sich als Ziel gesetzt, groß ins E-Sport-Business einzusteigen. Seine Eltern Anne und Max finden das jedoch gar nicht gut. Die Tochter meiner Nachbarin, die 16-jährige Sara, lernt aktuell die Schattenseiten des Internets kennen. Sie steht offen zu ihrer Homosexualität und spricht auf Social Media darüber. Deshalb wurden sie und ihre Freundin heftig beschimpft und sogar bedroht. Ich finde, gegen Hate Speech muss noch mehr unternommen werden. Und wir brauchen eine noch bessere Aufklärung über Fake News. Denn Leo und Sara fällt es oft schwer, zwischen echten und gefakten Informationen im Internet zu unterscheiden. Sie sehen, auch Jugendliche brauchen noch Unterstützung im Umgang mit Medien. Wobei es ab diesem Alter weniger um technische Unterstützung geht, denn damit kennen sich viele Jugendliche besser aus als die eigenen Eltern. Gefragt ist jetzt eher konkrete Hilfe im Umgang mit überfordernden Situationen. ICH WÜNSCHE IHNEN VIEL SPASS BEIM LESEN, IHRE TINE Brief von Tine Freigegeben ab 16 Jahren Linktipps Pornografie • Warum ist Pornografie so spannend? • Zugang zu Pornografie • Mögliche Wirkung von Pornografie • Aufklärung über Pornografie • Rechtliche Grundlage Verschwörungen • Wer glaubt an Verschwörungen und warum? • Aufklärung über Verschwörungen • Kleines Quiz Online-Glücksspiele • Warum sind Glücksspiel- Apps so gefährlich? • Wie verhindere ich, dass mein Kind glücks- spielsüchtig wird? E-Sport • Warum ist E-Sport so beliebt? • Was sollten Eltern beachten? Fake News • Kleines Lexikon • Aufklärung über Fake News Extremistische Organisationen im Netz • Bewerbung und Anwerbung über das Internet • Wie schütze ich mein Kind? • Anlaufstellen Hate Speech • Beispiele • Warum verbreitet sich Hate Speech so schnell? • Warum ist Hate Speech so gefährlich? • Was kann Hate Speech bewirken? • Was kann man gegen Hate Speech tun? • Rechtslage

i 4 5 FSK 16 – Altersfreigabe von Filmen ab 16 Jahren Freigegeben ab 16 Jahren Mit 16 entscheiden Jugendliche meist selbst, was sie sehen oder spielen wollen. Eltern haben hierauf nur noch geringen Einfluss. So gut wie alle Jugendlichen haben ein eigenes Smartphone und/oder einen Laptop. Sie können die Serien, Filme oder Spiele mehr oder weniger frei wählen. Doch es ist längst nicht immer alles altersgerecht. Über den älteren Freundeskreis können Spiele gespielt werden, die nicht dem eigenen Alter entsprechen. Oder es werden Let’s-Play-Videos, also Mitschnitte von Spielen, auf Streaming-Plattformen wie YouTube angesehen. Viele Jugendliche sind fitter als Erwachsene, was das Benutzen von Geräten angeht. Dennoch bleibt es Aufgabe der Eltern, sie in der digitalen Welt zu begleiten, starkzumachen und vor gefährdenden Inhalten zu schützen. Zu diesen zählen Gewaltverherrlichungen, Pornografie oder Hate Speech. Eltern sollten zudem nach wie vor ein Auge darauf haben, ob der Medienkonsum überhandnimmt und die schulische Leistung bzw. die Ausbildung darunter leidet. i Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH (FSK) ist eine deutsche, von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft getragene Einrichtung, die die Altersfreigabe von Medien prüft. Filme und Serien ab 16 Jahren sind blau markiert mit dem Hinweis „FSK ab 16 freigegeben“. USK 16 – Altersfreigabe für Computerspiele ab 16 Jahren In digitalen Spielen mit einer Altersfreigabe ab 16 Jahren geht es häufig um bewaffnete Kämpfe oder militärische Missionen. Diese sind in Action-Adventures, Shootern, Open-World-Spielen, Rollenspielen oder militärischen Strategiespielen zu finden. Bei diesen Spielen können Gewalthandlungen im Vordergrund stehen. Die Spielhandlung vermittelt jedoch keine sozial schädigenden Botschaften oder Vorbilder. Die Spiele versetzen zwar zeitweise deutlich in Anspannung, doch gewaltlose Spielanteile und unrealistisch wirkende Elemente ermöglichen Abstand zum Spielgeschehen. Jugendliche werden durch diese Spiele nicht nachhaltig beeinträchtigt. Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (kurz: USK) ist die freiwillige Selbstkontrolle der Computerspielindustrie in Deutschland. Sie vergibt nach den Vorgaben des Jugendschutzgesetzes für Computerspiele und Computerspieltrailer die gesetzlichen Altersfreigaben. Die USK vergibt allerdings keine pädagogischen Empfehlungen, sondern prüft, ob ein Spiel entwicklungsbeeinträchtigend sein kann. Neben den Inhalten werden bei der Altersfreigabe auch Punkte wie z. B. In-App-Käufe, Lootbox-­ Erwerb, Standortfreigaben und Nutzerinteraktionen berücksichtigt. Spiele ab 16 Jahren sind blau markiert mit dem Hinweis „USK ab 16 freigegeben“. Diese Gestaltungselemente sind in Filmen und Serien „FSK ab 16 freigegeben“ zu finden: • Weder die Filmstory noch mögliche Identifikationsfiguren vermitteln ausschließlich sozial schädigende Botschaften, • Gewalt ist nicht das einzige Konfliktlösungsmittel, • die Visualisierung von Sexualität ist nicht reißerisch inszeniert, • im Kontext von Gewalt werden keine extremen Gewalttaten gezeigt oder über eine aufdringliche Vertonung inszeniert, • Drogenkonsum, politischer Radikalismus oder Ausländerfeindlichkeit werden im Kontext einer Geschichte kritisch bearbeitet, • Selbstjustiz wird nicht beworben oder glorifiziert. JETZT IST'S GENUG, AB INS BETT! JETZT! GLEICH

6 7 Pornografie Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität und das Erleben erster eigener sexueller Erfahrungen gehören zu den typischen Themen in der Pubertät. Einen ersten Kontakt mit pornografischem Material, seien es Bilder oder Videos, haben sie meist schon früher. Kinder sind sehr neugierig auf diese Bilder, die Zugangsmöglichkeiten sind schier unendlich und die Verbreitungswege sehr einfach. Warum ist Pornografie so spannend? Die Gründe, warum Jugendliche Pornos anschauen möchten, sind vielfältig: Neben der sexuellen Erregung und Befriedigung ist es womöglich auch ein Testen der eigenen sexuellen Orientierung. Hinzu kommt eine mögliche Bestätigung des eigenen Erwachsenwerdens und im Freundeskreis mitunter der Gruppendruck bzw. ein aufregendes Gruppenerlebnis. Zudem werden Pornos als Informationsquelle und auch zur eigenen Aufklärung hergenommen. Zugang zu pornografischen Inhalten Der Zugang zu pornografischen Inhalten ist einfach, da diese jederzeit über die gängigen Online-Portale (teils kostenfrei) abgerufen und fast uneingeschränkt angeschaut und geteilt werden können. Die Betreiber der Seiten haben zum Teil sehr einfache und damit unwirksame Alterskontrollen. Die Frage „Bist du schon 18?“, kann selbst ein Minderjähriger mit „Ja“ beantworten und landet so auf dem gewünschten Portal. Manchmal stoßen Jugendliche aber auch ungewollt auf sehr plakative Bilder, z. B. durch eine neugierige Suche nach einem aufgeschnappten Begriff wie etwa MILF (Abkürzung aus dem Englischen, Erklärung: eine attraktive Mutter, mit der man gerne schlafen möchte). Oder durch das „Hineinstolpern“ in pornografische Szenen, die z. B. in Form von Werbe-Pop-ups auftauchen, während man eigentlich etwas anderes schaut. Zudem werden pornografische Inhalte in sozialen Medien oder über die Messenger verbreitet und getauscht. Dies geschieht auch trotz der einschränkenden Vorgaben der Seitenbetreiber. Oft werden solche pornografischen oder auch gewaltverherrlichenden Bilder, Videos und Sticker im Klassenchat bzw. im Chat des Freundeskreises verschickt oder weitergeleitet. Ob als Mutprobe oder um damit anzugeben. Was können pornografische Inhalte bewirken? In Pornos werden selten gleichwertige und respektvolle Geschlechtsakte gezeigt. Meistens bilden die Filme mit heterosexuellen Paaren oder Gruppierungen männliche Sichtweisen ab. Hierbei werden die Frauen den Männern oft als hörig, unterwürfig und immer verfügbar dargestellt. Die Frauen sind oft nur zur Befriedigung der männlichen sexuellen Bedürfnisse da und kennen dabei keine oder wenig Tabus. Diese männliche Dominanz wird mitunter auch durch Gewalt hergestellt, was den Frauen im Film aber scheinbar nichts ausmacht. Die Männer sind zudem dauerpotent, können und wollen immer und lange. Diese Bilder sind unrealistisch, einschränkend und oftmals unterdrückend. Hier geht es nicht um die Darstellung romantischer Liebe mit einem zärtlichen Vorspiel, sondern um eine schnelle Triebbefriedigung. Bei einigen Jugendlichen kann dadurch ein verzerrtes Bild von Sex entstehen. Zudem kann dadurch die Entwicklung einer partnerschaftlichen, respektvollen und wertschätzenden Sexualität gestört werden. Und es wird ein enormer Druck aufgebaut, was den eigenen Körper angeht. Wie dieser auszusehen hat und wie er funktionieren muss. Dieser Druck kann verunsichern, denn nicht immer funktioniert der eigene Körper so, wie es im Film gezeigt wird. Nicht immer können Jungs und Mädchen ohne ein zärtliches, einleitendes Vorspiel. Nicht zuletzt kann der Konsum auch zu einer Art Abstumpfung führen. Dies geschieht sowohl durch das Anschauen von pornografischen Videos oder Bildern als auch durch das Anhören bestimmter Songs. Gerade im Genre des Deutsch-Rap, aber auch in fremdsprachigen Songs gibt es sehr viele sexistische oder gewaltverherrlichende Texte und pornografische Passagen. Frauenhass und eine Erniedrigung und Reduzierung auf ein Geschlecht oder eine sexuelle Ausrichtung wird befeuert mit Begriffen wie Hure, Schlampe, Bitch oder Schwuchtel. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass Jugendliche in der eigenen Entwicklung unterschiedlich weit sind. Was für manche spannend, anregend oder vielleicht auch eher belustigend ist, empfinden andere als überfordernd. Nur weil ein Film oder eine Serie für eine Altersgruppe freigegeben ist, heißt es noch nicht, dass diese(r) für jeden Jugendlichen ab diesem Auch über die sozialen Netzwerke (Instagram, TikTok, Snapchat oder die Chatprogramme von Online-Spielen) werden pornografische Inhalte geteilt.

8 9 Aufklärung über Pornografie Es ist wichtig, dass Sie Ihrem Kind klare und verständliche Regeln dazu vermitteln, welche Inhalte altersgerecht sind und grundsätzlich angeschaut werden dürfen – und welche nicht. Jugendliche müssen wissen, dass manche Inhalte (wie illegale Pornografie oder harte Pornografie) per Gesetz verboten sind und dass sie sich strafbar machen, wenn sie diese teilen. Zudem ist es Ihre elterliche Pflicht, Ihr minderjähriges Kind vor jugendgefährdenden Inhalten zu schützen. Jugendliche brauchen und wollen Werte und Normen, um sexuelle oder pornografische Bilder einordnen und eine aufgeklärte Vorstellung der eigenen Sexualität entwickeln zu können. Das erniedrigende Frauenbild, das im Porno überwiegend gezeigt wird, entspricht nicht der echten Lebenswelt von Jugendlichen. Denn die gelebte Sexualität unter Jugendlichen ist trotz einer starken Verbreitung von pornografischen Inhalten mehr und mehr gleichberechtigt, selbstbestimmt und werteorientiert ausgerichtet. Die meisten Jugendlichen sind sich heute bewusst, dass es neben der heterosexuellen Orientierung auch homosexuelle oder bisexuelle Beziehungen gibt und dass sich Menschen als trans oder nichtbinär definieren können, sich also nicht als männlich oder weiblich sehen. Um ihre eigene Geschlechtsrolle und die eigene sexuelle Orientierung zu finden, brauchen Jugendliche jedoch mitunter (erwachsene) Bezugspersonen, die sie bei der Herausbildung ihres eigenen Urteilsvermögens unterstützen. Das müssen nicht immer die Eltern sein. Ältere Verwandte und Freundinnen und Freunde der Eltern können oft besser helfen, wenn es um die Beantwortung „peinlicher“ oder ihnen unangenehmer Fragen geht. Sprechen Sie offen mit Ihrem Kind darüber, dass es sehr verstörende Bilder im Netz geben kann. Und dass diese Bilder nichts mit einer liebevollen sexuellen Beziehung in einer Partnerschaft zu tun haben. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass es jederzeit auf Sie zukommen kann, wenn es Inhalte gesehen hat, die es überfordern. TINES TIPPS Alter auch geeignet ist. Für einige kann bereits die Darstellung eines Koitus in einer Liebeskomödie eine überfordernde Situation darstellen, wogegen andere nur darüber lachen. i Rechtliche Grundlagen Der Bundesgerichtshof definiert den Begriff der Pornografie folgendermaßen: „Als pornographisch ist eine Darstellung anzusehen, wenn sie unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rückt und ihre Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf das lüsterne Interesse des Betrachters an sexuellen Dingen abzielt.“ (vgl. BGHSt 23,44; 37,55) Die Strafbarkeit laut Strafgesetzbuch: • Einfache pornografische Inhalte unterliegen einer Verbreitungsbeschränkung (§ 184 StGB). Strafbar ist zum Beispiel die Verbreitung durch unaufgefordertes Versenden von E-Mails an andere Personen (auch an Erwachsene) oder das Zur-Verfügung-Stellen im Internet ohne ausreichende Zugangskontrolle, sodass auch minderjährige Personen Zugriff erlangen können. • Unter harter Pornografie sind sexuelle Darstellungen mit Kindern, Jugendlichen, mit Gewalttätigkeiten oder zwischen Mensch und Tier zu verstehen (§ 184a – § 184c StGB). Strafbar sind hierbei Herstellung, Verbreitung und der Besitz. • Nach § 18 des Jugendschutzgesetzes werden jugendgefährdende Medien nach Entscheidung der Prüfstelle von der Bundeszentrale für Kinder- und Medienschutz indiziert. Diese Indizierung soll unter 18-Jährige davor schützen, dass sie von radikalen Inhalten negativ beeinflusst werden.

10 11 Hate Speech Mit dem Begriff „Hate Speech“ werden verschiedene Formen von im Netz verbreitetem Hass beschrieben. Darunter fallen Äußerungen, in denen Einzelpersonen oder Gruppen beleidigt und abgewertet werden. Oft wird der Hass mit einer tatsächlichen oder vermuteten Gruppenzugehörigkeit oder persönlichen Merkmalen begründet. Typische Beispiele sind das Geschlecht, die Herkunft, die sexuelle Orientierung, das Alter, eine Behinderung, die Religion, die politische Haltung oder das Engagement für eine bestimmte Sache. Beispiele für Hate Speech Hate Speech hat viele Ausprägungen. Es umfasst nicht strafbare, aber auch strafbare Äußerungen. Ein paar Beispiele dafür sind: • Cybermobbing, also das Mobbing von Einzelpersonen online – beispielsweise, wenn im Klassenchat über mehrere Monate geschrieben wird, dass ein Mitschüler dumm ist und stinkt. • Bewusste Verbreitung von falschen Aussagen: So wird beispielsweise gegen Menschen einer bestimmten Herkunft gehetzt, indem behauptet wird, dass alle Männer aus diesem Land gewalttätig sind und Frauen daher nachts nicht mehr allein auf die Straße sollten – oft bekräftigt von Aussagen wie: „Die Nachbarin meines Onkels arbeitet bei der Polizei und bestätigt das.“ • Hate Speech wird als Humor und Ironie getarnt mit Aussagen wie „Ich will auch ein neues Smartphone haben. Werd‘ ich im nächsten Leben halt Asylant!“ • Versteckte Diskriminierungen mit Sätzen wie „Ich hab‘ ja nichts gegen Sozialhilfeempfänger, aber …“ • Abwertende und beleidigende Begriffe wie „Schlampe“, „Schwuchtel“, „Spack“ oder „Kanake“. • Stereotype und Vorurteile werden ausgedrückt durch Wortneuschöpfungen wie: „Schlafschaf“, „Gutmensch“, „Flüchtlingswelle“ oder „Lügenpresse“. • Codes und Symbole wie eine gesprayte 88, die für HH, also „Heil Hitler“ steht, oder die Zahl 444, die für ein dreifaches D steht und ein Code für die Parole „Deutschland den Deutschen“ ist. Strafbare Symbole sind etwa der „Blood and Honour“-Schriftzug („Blut und Ehre“), der für ein internationales Netzwerk von rechtsextremen Skinheads steht, das Hakenkreuz oder die Flagge des IS, des Islamischen Staats. Warum verbreitet sich Hate Speech so schnell? Das Internet ermöglicht freie öffentliche Kommunikation. Die Vernetzung findet über große Entfernungen statt und für alle Themen finden sich in den unterschiedlichen sozialen Netzwerken Gleichgesinnte. Das kann allerdings auch dazu führen, dass Menschen, die gegen etwas schimpfen, viele Anhängerinnen und Anhänger finden. Hass lässt sich sehr schnell auf diesem Weg verbreiteten. Denn im Netz, so denken viele, können sie anonym oder sogar unter ihrem Klarnamen, also dem echten Namen, alles sagen, was sie wollen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Diese angenommene Rechtsfreiheit führt dazu, dass vermehrt Hassbotschaften verbreitet werden, die sich direkt gegen bestimmte Menschen oder Organisationen richten. Warum ist Hate Speech so gefährlich? Hass setzt sich im Netz in bestimmten Gruppen fest, wird dort von allen akzeptiert, gerechtfertigt und entsprechend gefördert. Der zu Beginn schriftliche ausgedrückte Hass schaukelt sich hoch. Im schlimmsten Fall wird in den Gruppen dann in einem weiteren Schritt zu echten Taten angestiftet. So kann aus Hate Speech ein Hassverbrechen werden, bei dem Menschen tatsächlich bedroht, verbal oder auch körperlich angegriffen und im schlimmsten Fall getötet werden. Was kann Hate Speech bewirken? Die Hetze soll bestimmte Gruppen oder Einzelpersonen einschüchtern, ängstigen und mundtot machen. Dafür werden neben echten Menschen auch sogenannte Social Bots – künstliche Programme, die menschliches Verhalten nachahmen – eingesetzt. Diese Bots beleidigen, posten falsche Tatsachen, reposten andere Artikel und lösen so im Idealfall einen Shitstorm, einen Sturm an Hassmeldungen, aus. Damit soll der Eindruck erweckt werden, eine bestimmte Meinung würde überwiegen.

12 13 Eltern und Erziehende sollten schon früh mit ihren Kindern über die Taktiken von Hetzerinnen und Hetzern sprechen, um sie darüber aufzuklären, wie die Kommunikation im Netz funktioniert. Kinder und Jugendliche sollen sich ihrer eigenen Verantwortung im Netz bewusstwerden. Dazu zählt auch das Bewahren von Grundwerten wie Ehrlichkeit, Toleranz, Gerechtigkeit, Respekt oder auch der Schutz der Privatsphäre. TINES TIPPS Was kann man gegen Hate Speech tun? • Wenn im Netz Hate Speech bemerkt wird, kann die Gegenrede, die Counter Speech, helfen: Dabei werden sachliche Gegenargumente vorgetragen. Und es wird klar aufgezeigt, warum eine Aussage rassistisch oder diskriminierend war. • Bei offensichtlichen Falschmeldungen kann nach der Quelle der Information gefragt werden. Außerdem ist es hilfreich, mit belegbaren Fakten gegenzuhalten und so Gerüchte zu entkräften. • Wichtig ist es, offensichtlichen Trollen, also Menschen, die absichtlich zur eigenen Unterhaltung beleidigen oder aufhetzen, nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. • Wenn man selbst online auf Hassmeldungen aufmerksam wird, sollten diese direkt beim Support des jeweiligen Portals gemeldet werden. • Zusätzlich können diese über Meldestellen wie hassmelden.de oder bei der internet-beschwerdestelle gemeldet werden. Dabei ist es wichtig, einen Screenshot der Nachricht oder des Kommentars als Beweis zu sichern. Der Screenshot muss neben dem Kommentar auch das Erstellungsdatum sowie den (User-) Namen der mutmaßlichen Täterin bzw. des Täters enthalten. Und der Kontext des Kommentars muss ersichtlich sein. • Eine Strafanzeige kann anonymmündlich oder schriftlich bei der Staatsanwaltschaft oder der Polizei eingereicht werden, z. B. wegen Volksverhetzung, Aufruf zu Straftaten, Beleidigung, übler Nachrede oder bei einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte. • Hilfreich als Informations- und Aufklärungsquellen sind Beratungs- und Meldeportale wie no-hate-speech.de, hateaid.org oder jugend.support, die über Hatespeech aufklären und Opfer von digitaler Gewalt unterstützen. i Rechtliche Grundlagen Das 2017 in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zielt darauf, Hasskriminalität, strafbare Falschnachrichten und andere strafbare Inhalte auf den Plattformen sozialer Netzwerke wirksamer zu bekämpfen. Offensichtlich strafbare Inhalte müssen vom Anbieter spätestens 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde gelöscht werden, strafbare Inhalte nach spätestens sieben Tagen. Soziale Netzwerke sind zudem verpflichtet, bestimmte, besonders schwere Straftaten an das Bundeskriminalamt zu melden. Unabhängig davon stellt Hate Speech in Medien eine Jugendgefährdung gemäß § 18 JuSchG dar, wenn sie die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen oder gefährden kann. Wer rechtswidrige Inhalte Dritter verbreitet oder verlinkt, riskiert ein medien-, zivil- oder strafrechtliches Verfahren. Sogar dann, wenn Dritte Hate Speech unter einem Beitrag oder auf dem Profil eines Nutzers oder eine Nutzerin posten und dieser bzw. diese nichts dagegen unternimmt. Böse Worte gegen Sara Die Tochter meiner Nachbarin, die 16-jährige Sara, hat auf TikTok und Instagram schon viele Followerinnen und Follower. Waren es früher überwiegend Tanzvideos, die sie gepostet hat, postet sie nun Videos gemeinsam mit ihrer Freundin Lara. Die beiden haben sich kürzlich vor Saras Mama Aylin als Paar präsentiert. Aylin freut sich, dass ihre Tochter eine so nette Freundin hat. In ihrem neuen Video machen Sara und Lara auf einen Straßenumzug aufmerksam, bei dem für mehr Toleranz, Akzeptanz, Vielfalt und Offenheit geworben wird. Auf das Video bekommen die beiden viele Kommentare und auch Privatnachrichten. Neben Lob ist jedoch auch Negatives dabei. Einen ziemlich fiesen Kommentar zeigt sie mir. Er lautet: „Das ist eklig und unnnatürlich! Ihr scheiß Huren!“ Sara ist ziemlich verängstigt und ich bin sehr sauer. Wir machen einen Screenshot des Kommentars und sperren den User. Sara meldet die Nachricht an das Meldeportal der Social-Media-Plattform und überlegt sich zudem, ihn anzuzeigen. MELDEN USER BLOCKEN + KOMMENTAR LÖSCHEN

14 Extremistische Organisationen im Netz Das Internet ist Teil unserer Welt. Jugendliche bewegen sich wie selbstverständlich im virtuellen Raum. Es ist ein Ort, an dem sie sich austauschen, informieren und ihre Freizeit verbringen. Auch extremistische, demokratiefeindliche Organisationen wissen das und versuchen ihre Ideologie über das Internet zu verbreiten. Sie wollen junge Menschen von dieser überzeugen und sie auch zumMitmachen bewegen. Bewerbung und Anwerbung über das Internet Demokratiefeindliche Gruppen, seien es politisch oder religiös motivierte Organisationen, sprechen junge Menschen im Internet gezielt dort an, wo sie sich am häufigsten aufhalten: in sozialen Netzwerken, in den Chats von Online-Games oder in den Messaging-Diensten. Das Internet erleichtert ihnen die Kontaktaufnahme, die Organisation und ermöglicht eine weltweite Vernetzung. Damit Heranwachsende nicht gleich von den Angeboten eingeschüchtert werden, verwenden extremistische Gruppierungen verschiedene Verschleierungsstrategien. So sind ideologische Ansichten häufig nicht direkt erkennbar, da die Wort- und Bildsprache sich den Vorlieben junger Menschen anpasst. Propaganda wird über bekannte Bilder, Videos, Sticker oder Gifs (kurze Videoschnipsel), betrieben. Jugendliche, denen das gut gefällt, liken, teilen oder kommentieren diese und verbreiten sie damit weiter, ohne die Hintergründe zu kennen. Sind die Jugendlichen erstmal Fan einer bestimmten Seite, ist es für die Betreibenden leicht, sie direkt anzusprechen, sie in eine Diskussion zu verwickeln, sie zu einem echten Treffen einzuladen. Dabei wird oft eine sehr persönliche Sprache verwendet, um das Gefühl von Nähe und Zusammenhalt zu vermitteln. Wie schütze ich mein Kind? Extremistinnen und Extremisten knüpfen meist gezielt an Problemlagen von Jugendlichen an, um einen Zugang zu diesen zu bekommen. Einschneidende Ereignisse wie der Verlust eines geliebten Menschen oder eine Trennung der Eltern können Jugendliche für eine extremistische Ideologie empfänglich machen. Auch in Phasen von Frust, Angst oder Einsamkeit können Jugendliche anfällig für die vermeintliche Orientierung und Identität sein, die ihnen extremistische Ideologien bieten. Nehmen Sie deshalb die Sorgen Ihres Kindes ernst und unterstützen Sie es dabei, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Denn Jugendliche, die sich ausgegrenzt fühlen, sind anfälliger für Gruppierungen, die ihnen vorgaukeln, dass es nur bei ihnen eine richtige Gemeinschaft und Anerkennung gebe. Daneben ist es wichtig, Kinder und Jugendliche kontinuierlich in der eigenen Medienkompetenz zu stärken. Erklären Sie Ihrem Kind, wie es erkennen kann, dass jemand versucht, es von einer Sache zu überzeugen. Und seien Sie stets ein Vorbild, was den eigenen Umgang im Netz und auch die eigene grundsätzliche Einstellung zu bestimmten Themen angeht. Anlaufstellen Haben Sie das Gefühl, Ihr Kind ist trotz aller Vorsicht in die Fänge einer extremistischen Gruppe geraten? Dann zögern Sie nicht, sich von mehreren Stellen Hilfe zu holen. Wenden Sie sich an Beratungsstellen, Lehrkräfte oder andere Vertrauenspersonen. Für Fragen oder Probleme im Alltag gibt es zahlreiche Anlaufstellen wie das Bayerische Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus, die Fachstelle zur Prävention ufuq oder die Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus. Auch das Bayerische Landesjugendamt hat eine eigene Stelle, die Sie telefonisch unter 089 124793-2595 erreichen können. Regen Sie Ihr Kind schon früh zum eigenständigen Nachdenken an und klären Sie es über Ansätze der Demokratie und der gesellschaftlichen Werte auf. Zeigen Sie auch auf, wie und wo es bedenkliche Inhalte melden kann. TINES TIPPS

16 17 Fake News Übersetzt heißt der Begriff „Fake News“ nichts anderes als „falsche Nachrichten“. Ziel von Falschmeldungen ist es immer, Menschen zu täuschen und ihre Meinung zu manipulieren. Dies kann politischer oder auch nur werblicher Natur sein – oder einfach ein fieser Spaß. Kleines Lexikon über verschiedene Arten von Falschmeldungen • Fake News sind falsche Nachrichten. Sie können strafrechtliche Tatbestände der Beleidigung, des Verleumdens und der üblen Nachrede erfüllen. Leider verbreiten sich diese Falschmeldungen schneller im Netz als wahre Nachrichten, da sie Reizthemen enthalten, über die sich viele empören können und möchten. • Ein Hoax ist eine (oft scherzhafte) Falschmeldung. Diese wird jedoch nicht sofort als solche erkannt. Die Themen sind so gewählt, dass sie reißerisch sind und das Interesse vieler Leute erregen. Ziel ist, dass sie möglichst oft und unkritisch weiterverbreitet werden. Gängige Verbreitungswege sind Kettenbriefe oder Social-Media-Posts. • Deep Fakes sind manipulierte Videos. Dank des maschinellen Lernens, genauer gesagt der künstlichen neuronalen Netzwerke, sind diese Videos sehr oft nicht mehr von echten Videos zu unterscheiden. So können beispielsweise auch bereits verstorbenen Menschen Worte in den Mund gelegt werden. • Social Bots sind Roboter-Programme, die gezielt Falschmeldungen verbreiten. Sie können zudem selbst Inhalte erstellen, bestimmte Posts liken und kommentieren. So manipulieren sie gezielt die Stimmung in den sozialen Medien in eine bestimmte Richtung. Das ist gerade vor Wahlen oder bei einer Hetzkampagne gegen eine Person des öffentlichen Lebens sehr problematisch. Klimawandel und Klimalügen Mein Neffe Leo und mein Nachbarskind Sara sind zusammen in einer Klasse und recherchieren für ein Referat zum Thema „Klimawandel“. Bei ihrer Suche im Internet stoßen sie neben vielen wissenschaftlich belegten und gut verständlich geschriebenen Fachartikeln auch auf eine Menge Blogeinträge von vermeintlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sie verwirren. „Der Klimawandel existiert nicht“ oder „Die Klimalüge“ lauten deren Überschriften. Da ist von manipulierenden Chemtrails der Regierung die Rede und davon, dass der menschenverursachte erhöhte Kohlendioxid-Ausstoß gar nicht für den Klimawandel verantwortlich sei. Sara und Leo sind verwirrt. Denn eigentlich sind sie sich über die Faktenlage sehr sicher. Aber diese Seiten schauen so echt und glaubwürdig aus. Die beiden fragen mich, ob ich Zeit für ein Videotelefonat habe. Sie wollen wissen, wie sie eine glaubhafte Quelle von einer unglaubwürdigen unterscheiden können. Jugendliche im Erkennen von Fake News schulen Kinder und Jugendliche sind grundsätzlich nicht anfälliger für Falschinformationen als Erwachsene. Allerdings fehlen ihnen oft das nötige Vorwissen, Kompetenzen und Methoden, um Fake News oder auch Verschwörungstheorien als solche zu erkennen. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat vier Punkte zusammengestellt, um Fake News zu erkennen und Falschmeldungen aufzudecken: � Nachricht hinterfragen: Von wem kommt die Info und welche Absicht steckt dahinter? Besondere Vorsicht ist bei reißerischen Bildern und Überschrift geboten! � Quelle überprüfen: Steht die Information auch in der Originalquelle und gibt es ein Impressum? Wer steckt hinter der Seite? Bestätigen und unterstützen weitere Quellen die Nachricht? � Bilder überprüfen: Wo und wann wurde es aufgenommen und wer verschickt es? Kann man es online nur in diesem einen Zusammenhang finden? Bilder von Demonstrationen werden z. B. oft in einem anderen Zusammenhang nochmal verwendet. � Nicht alles weiterleiten: Könnte diese Nachricht jemandem schaden? Falschmeldungen können bei Faktenchecker-Webseiten gemeldet werden. Sprechen Sie als Eltern mit Ihrem Kind über Falschmeldungen. Erklären Sie, dass manche Menschen gezielt falsche Informationen streuen, um damit Geld zu verdienen oder Meinungen zu beeinflussen. Selbst wenn eine Meldung oft geteilt wurde und die Seite professionell gestaltet ist, heißt das nicht, dass die Informationen auch wahr sind. TINES TIPPS

18 19 Verschwörungen Unter einer Verschwörung wird die geheime Absprache bzw. Planung einer Gruppe von Menschen verstanden. Eine Verschwörung richtet sich gegen etwas oder jemanden. Wer glaubt an Verschwörungen und warum? Verschwörungsideologinnen und -ideologen sind Menschen, die an eine bestimmte Idee glauben. Unsicherheiten und Krisen sind der beste Nährboden für Verschwörungen, denn diese bieten oft vermeintlich einfach Lösungen oder präsentieren Schuldige für hochkomplexe Themen und Probleme oder wenn offizielle Erklärungen fehlen. Verschwörungen gibt es viele, z. B. die einer globalen Weltherrschaft durch eine sogenannte Elite. Hierzu zählt auch die Idee eines „Deep State“, eines Staats im Staat, der alles kontrolliert. Es gibt Verschwörungen zur angeblichen manipulierenden Macht der „Mainstream-Medien“, der gleichgeschalteten „Lügenpresse“, die Tatsachen verdreht, oder auch zur Mondlandung. Zudem wird die menschengemachte Klimakrise geleugnet, die Idee einer flachen Erde verbreitet. Und es wird die Gefahr durch das Corona-Virus geleugnet. Als harmlos wird das Virus abgetan, eine „Masken-Diktatur“ angeprangert. Anhängerinnen und Anhänger lassen sich auch durch eindeutige wissenschaftliche Beweise nicht von ihrer Idee abbringen. Gegenbeweise werden als „Vertuschungsversuche“ bezeichnet oder mit dem Aufruf „Wacht auf, ihr Schlafschafe!“ kommentiert. Ein Misstrauen in die Demokratie entsteht. Es kommt zu Protesten und zu Aufrufen, die bestehende Regierung zu stürzen. Verschwörungen in den sozialen Netzwerken In den sozialen Netzwerken verbreiten sich Halbwahrheiten, Verschwörungstheorien und Lügen besonders stark. Dort erhalten sie schnell eine große Reichweite, weil sie meist mehr Aufrege- und Hasspotential haben als wahre Aussagen. Die Anhängerinnen und Anhänger solcher Ideen sind immun gegenüber Kritik oder Widerspruch, da sich Inhalte in ihrer „Blase“, in ihrem direkten Umfeld im privaten Kreis und in ihren sozialen Netzwerken ständig reproduzieren. Verstärkt wird diese Dynamik durch die Macht der Algorithmen – Programme, die auswählen, welche Inhalte Nutzerinnen und Nutzer wohl am meisten interessieren könnten, und diese dann gezielt ausspielen. Artikel und Videos, die den eigenen Vorlieben entsprechen, werden eher in den Feed, also in die Vorschlagsliste gespielt. Zudem spielen diese Algorithmen bevorzugt aufmerksamkeitsstarke Artikel aus. ERDERWÄRMUNG GAB ES SCHON IMMER! JA GENAU! WAS STIMMT DENN JETZT? VIELLEICHT WEISS TINE BESCHEID!

20 21 Wie kann man Jugendliche über Verschwörungen aufklären? Jugendliche sind einen großen Teil des Tages online. Sie brauchen deshalb Hilfe bei der Entwicklung der Fähigkeit, Inhalte auf Social-Media-Plattformen oder in Messenger-Chats beurteilen und einordnen zu können. Voraussetzungen hierfür sind Wissen über die Arbeitsweisen der Medien und die Fähigkeit zum analytischen Denken. Wenn Jugendliche sich logisch erklären können, warum ein vermeintlicher Fakt einfach nicht stimmen kann, verringert das ihre Empfänglichkeit für Verschwörungsideologien enorm. Eine Möglichkeit zur Prüfung des Wahrheitsgehalts bestimmter Informationen bieten z. B. der Faktenfinder der Tagesschau, der Faktenfuchs des Bayerischen Rundfunks oder mimikama und correctiv. Zudem sind Eltern, Erziehende, Lehrkräfte und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe als Ansprechpersonen für junge Menschen gefragt. Es ist wichtig, dass die Verunsicherungen und Ängste der Jugendliche ernst genommen werden. Damit ist ein guter Ausgangspunkt für eine Aufklärung durch eine grundlegende Medienbildung geschaffen. i Kleines Quiz zu Fake News und Verschwörungen 1. Was genau sind Fake News? a) Falsche beziehungsweise gefälschte Nachrichten. b) Nachrichten voller Rechtschreibfehler. c) Nachrichten, denen man absolut vertrauen sollte. 2. Woran lassen sich Verschwörungstheorien oft erkennen? a) Die Information stammt oft von der Nachbarin einer Freundin einer Cousine. b) Sie hetzen gegen bestimmte Personen auf, die angeblich im Hintergrund die Strippen ziehen. c) Die Informationen stehen auf offiziellen Webseiten der Regierung. 3. Was sollte man mit eindeutigen Fake News machen? a) Unkommentiert weiterleiten. b) Freunde und Freundinnen darüber aufklären. c) Fake News an eine Faktenchecker-Webseite melden. 4. Welche Themen sind beliebte Fake-News-Themen? a) Tiere und Pflanzen b) Serie und Filme c) Klimawandel und Gewalttaten 1a, 2a und b, 3b und c, 4c Online-Glücksspiele Casino-Apps und glückspielähnliche Games spielen im Medienalltag von Jugendlichen immer häufiger eine Rolle. Der Suchtfaktor dabei ist sehr hoch. Warum sind Glücksspiel-Apps so gefährlich? Für Minderjährige ist echtes Glücksspiel im Casino oder in einer Spielhalle in Deutschland verboten. Die Nutzung von GlücksspielApps fällt jedoch nicht unter das Verbot, da häufig keine reale Währung im Einsatz ist. Oft ähneln Online-Games jedoch dem realen Glücksspiel sehr. Diese können die grundsätzliche Einstellung der Kinder und Jugendlichen gegenüber Glücksspielen mit echtem Geldeinsatz negativ beeinflussen. Zudem können Jugendliche dadurch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt werden. Glücksspiele sind unterschiedlich riskant. Vor allem leicht und ständig verfügbare Spiele, wie Apps auf dem Smartphone, mit einer schnellen Spiel- und Auszahlabfolge erhöhen das Suchtpotenzial erheblich. Gerade Jugendliche sind oft risikofreudig und denken nicht immer an die langfristigen Folgen. Zudem ist der Zugang zu Glücksspiel-Plattformen sehr viel einfacher als in einer Spielhalle. Mit falschen Angaben zum Alter und mit einer Aktivierung des Accounts durch die elterliche „ausgeborgte“ Kreditkarte ist die Erstellung eines eigenen Kontos ein Leichtes. Auch Influencerinnen und Influencer spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Verbreitung. Einige von ihnen bewerben auf YouTube aktiv Online-Glücksspiele bei einer sehr jungen Zielgruppe. Zudem findet die Übertragung der Spiele auch über die Plattform Twitch statt, was zu einer Verharmlosung des Risikos von Glücksspiel allgemein führen kann und ein junges Publikum erst darauf aufmerksam macht. Weitere versteckte „glücksspielähnliche Elemente“ sind häufig in Videospielen zu finden. Vorwiegend in sogenannten Free2Play-­ Titeln, also in kostenfreien Spielen, bei denen man für Erweiterungen dann zahlen muss. Eine anhaltende Diskussion um „Lootboxen“ hat in manchen Ländern schon zum Verbot solcher Glücksspielelemente in Videospielen geführt. DIE ERDE IST EINE SCHEIBE. SCHLANGE, SATELITENBILDER BELEGEN, DIE ERDE IST EINE KUGEL. FUCHS FAKTENCHECKER, JETZT BLICK ICH ES!

22 23 Wie verhindere ich, dass mein Kind glücksspielsüchtig wird? Helfen Sie Ihrem Kind dabei, sich mit einer möglichen Gefährdung kritisch auseinanderzusetzen. Dies geschieht, in dem Sie es über potentielle Gefahren aufklären. Zudem ist es wie immer wichtig, dass Sie selbst ein gutes Vorbild sind und nicht spielen. Erklären Sie, warum Glücksspiele – besonders für Kinder und Jugendliche – riskant sind: Der Suchtfaktor ist hoch, eine Gewinnchance fast nicht vorhanden. Und machen Sie Ihrem Kind deutlich, dass es viele andere Möglichkeiten gibt, Grenzen auszutesten und einen Kick zu bekommen, etwa beim Sport. i Rechtliche Grundlagen Glücksspiel im Casino oder in einer Spielhalle ist nach § 6 JuSchG für Kinder und Jugendliche verboten. Nicht erlaubt sind hierbei sowohl der Aufenthalt in den entsprechenden Räumlichkeiten als auch die Teilnahme an Glücksspielen. Die Nutzung von Glücksspiel-Apps fällt jedoch nicht unter das Verbot, da häufig keine reale Währung im Einsatz ist. Der Zugang zu Online-Games wird mit entsprechenden Alterskennzeichnungen der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) beschränkt. Führen die Spielinhalte zur Verharmlosung, Gewöhnung oder Desensibilisierung gegenüber Glücksspielen, so werden diese Merkmale von der USK berücksichtigt. Auch die Steigerung des Handlungsdrucks sowie das Identifikationspotential werden bei der Einschätzung der Altersfreigabe mit einbezogen. Seien Sie sich selbst immer bewusst und machen Sie auch Ihrem Kind klar: Glücksspiel hat ausschließlich mit Glück zu tun und dieses lässt sich nicht vorhersagen. Die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen ist extrem gering. TINES TIPPS E-Sport E-Sport klingt zwar nach Sport, wird aber nicht wie Leichtathletik oder Ballsport auf einem Feld trainiert, sondern findet rein digital statt. Hierbei geht es um Gaming, also um digitale Spiele. Beim E-Sport treten Teams oder Einzelpersonen im Mehrspieler- oder auch Einzelspielermodus eines Computerspiels gegeneinander an und messen sich in virtuellen Welten. Warum ist E-Sport so beliebt? Viele Jugendliche spielen gerne und häufig digitale Spiele. Auch das Anschauen von E-Sport-Turnieren ist sehr beliebt. Diese Turniere finden in großen Hallen vor Publikum statt und haben dementsprechend Event-Charakter. Die Bildschirme der Spielerinnen und Spieler werden auf große Leinwände projiziert, sodass sich die Spielzüge der Profis verfolgen lassen. Zusätzliche werden diese Turniere über Live-Streaming-Kanäle wie Twitch übertragen und professionell kommentiert. E-Sport-Turniere sind wettkampfgetrieben, strukturiert und organisiert. Die E-Sport-Stars genießen bei den Jugendlichen einen ähnlich hohen Status wie YouTube-Stars. Sie haben ihr Hobby durch jahrelanges Training zum Beruf gemacht! Mit Sponsorings, über Werbung und durch die Kommerzialisierung des Computerspielens verdienen sie ihren Lebensunterhalt. Bei Turnieren winken teilweise Preisgelder in Millionenhöhe. Im E-Sport sind mittlerweile auch klassische Arbeitsverträge ähnlich wie bei Sportprofis üblich. So sind viele Fußballclubs mit eigenen E-Sport-Teams vertreten und auch große Firmen unterhalten eigene Teams. Aber selbstverständlich ist nicht nur das Anschauen spannend, sondern ebenso das Mitspielen und das Live-Streamen der eigenen Spielzüge oder auch das Aufzeichnen für sogenannte Let‘s Plays auf YouTube. Online finden sich schnell neue Gruppierungen, bei denen die Gamer und Gamerinnen gegeneinander spielen. Über die Chat-Plattform Discord wird während des Spiels miteinander kommuniziert. Was sollten Eltern beachten? Gaming macht vielen Jugendlichen Spaß, das steht außer Frage. Und nebenbei schult das Online-Spiel auch viele physische und psychische Eigenschaften: Dazu zählt u. a. das strategische Denken, denn Spielzüge müssen im Voraus geplant werden. Ein geeigneter Führungsstil ist wichtig, um das Team zusammenzuhalten, und ebenso die teaminterne Kommunikation, bei der GEWINNCHANCE 0,00000001%

24 25 Stundenlange Online-Wettkämpfe Dass mein Neffe Leo am liebsten den ganzen Tag Computer spielen würde, ist nichts Neues. Doch nun hat er sich einer E-Sport-Gilde angeschlossen und spielt stundenlang sein absolutes Lieblingsspiel. Sein Team und er treffen sich regelmäßig online, um gegen andere Teams zu spielen. Sie planen bereits die Teilnahme an Wettbewerben. Leo spielt am Wochenende auch mal die ganze Nacht durch, weil die anderen aus der Gilde teils weltweit verstreut leben. Auch Katharina schaut ihm oft über die Schulter und findet es super spannend, was ihr Bruder spielt. Ihre Eltern Anne und Max regen sich allerdings ziemlich darüber auf, da sich ihr 16-jähriger Sohn immer weniger sagen lässt und richtig böse wird, wenn sie ihm das Spielen verbieten und einen Alternativvorschlag machen. Selbst wenn sie das WLAN sperren, ist Leo fit genug, es schnell wieder zu reaktivieren. Den Computer wegnehmen können sie nicht, da er ihn für die Schule braucht. Sie sind zwar froh, dass Leo nach wie vor in der Schule gute Leistungen hat, aber alle anderen Hobbys und gemeinsame Zeit mit der Familie bleiben aktuell außen vor. Ich rate Anne und Max, sich mal genau von Leo erklären zu lassen, was er denn spielt, mit wem er sich dabei trifft, warum das so viel Zeit in Anspruch nimmt. Und sie sollen auch mal unvoreingenommen zuschauen, damit sie die Situation besser einschätzen können. Als sie wenig später Max beim Spielen zusehen, finden sie es echt beeindruckend, wie Leo sich auf Englisch mit seinem Team abspricht und Strategien entwickelt. Da Leo bislang die Schule nicht vernachlässigt hat, wollen sie nun gemeinsam einen Zeitplan erstellen. Dieser soll neben dem etwas reduzierten Gaming auch noch Platz für Leos früheres Hobby, Schwimmen, zulassen. es zum Vergleich und weltweiten Austausch kommt. Nicht zuletzt werden die Reaktionsschnelligkeit und die Hand-Auge-Koordination gefördert. Der Suchtfaktor sollte trotzdem nicht außer Acht gelassen werden: Meistens haben die Spiele eingebaute Belohnungssysteme (Gewinne am Ende eines Levels, besondere Geschenke beim Beenden einer Mission), die dafür sorgen, dass so lange gespielt wird, bis die Gewinne erhalten wurden. Spielen macht, solange es gut läuft, dementsprechend glücklich. Da kann einem die reale Welt schnell langweilig vorkommen oder auch in Vergessenheit geraten – was sich u. U. in zu wenig Schlaf, schneller und ungesunder Nahrungsaufnahme oder in zu wenig Bewegung äußert. Gespräche und anschließend gemeinsam ausgehandelte Regeln wirken mehr als Verbote. Wenn Sie jedoch das Gefühl haben, Ihr Kind legt eine krankhafte oder abhängige Nutzung an den Tag, wenden Sie sich an Fachstellen wie den Online-Ambulanz-Service für Internetsüchtige oder den Fachverband Medienabhängigkeit. TINES TIPPS LEO HEISST DOCH BAVARIAN NIGHT OWL ... PAPS, ICH GEH JETZT MAL SCHWIMMEN. DENK AN DEIN ZEITKONTINGENT. YES HELLO, I AM SE FASER OF LEO. OH, HI!

26 Medienerziehung • Der BR hat mit So geht Medien eine Plattform mit Videos und Tutorials zur Stärkung der Medienkompetenz errichtet. • Schau Hin! informiert Eltern und Erziehende über aktuelle Entwicklungen der Medienwelt. • Klicksafe beantwortet Fragen von Eltern zum Thema Medienerziehung. • webhelm ist ein Infoangebot für pädagogische Fachkräfte und interessierte Erwachsene. Online-Beratung für Eltern und Kinder • Eltern können sich mit ihren Fragen und bei Problemen an die bke-Online-Beratung wenden. • JUUUPORT ist eine bundesweite Beratungsplattform für Jugendliche, auf der sich Jugendliche gegenseitig helfen. • Nummer gegen Kummer e. V. ist die Dachorganisation des größten, kostenfreien, telefonischen Beratungsangebotes für Kinder, Jugendliche und Eltern in Deutschland. • Jugend Support bietet Hilfe bei Mobbing und Belästigungen im Netz, Selbstgefährdung und Sucht oder auch bei Kostenfallen und Online-Hass. Hate Speech • no-hate-speech ist die europaweite Kampagne des Europa-rates gegen Hassreden im Netz. • HateAid ist die erste Beratungsstelle Deutschlands, die ausschließlich Betroffene von digitaler Gewalt unterstützt. Verschwörungen und Fake News • Was steckt hinter Fake News, Gerüchten und Hetze? Der Faktenfuchs des Bayerischen Rundfunks deckt populäre Irrtümer und Falschinformationen auf. • Die faktenfinder der Tagesschau untersuchen Gerüchte, stellen Falschmeldungen richtig und liefern Hintergründe zu aktuellen Themen. Zum Weiterlesen empfehlen wir diese Fachartikel auf www.baer.bayern.de: • E-Sports und Computerspielsucht • Cybermobbing und Konflikte im Internet • Wenn Jugendliche von Salafisten angeworben werden bLINKTIPPS � � � � � DRÜBER REDEN FAKTENCHECK AB UND ZU HANDY MAL AUSSCHALTEN AUCH ERWACHSENE MÜSSEN BESCHEID WISSEN AUFPASSEN WEGEN PRIVATEN FOTOS NICHT MIT FREMDEN LEUTEN VERNETZEN UND WELCHEN MEDIEN-TIPP WÜRDET IHR BEIDEN ANDEREN GEBEN?

ÜBERBLICK Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – ­ Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.baer.bayern.de Infos zum Copyright Layout und Illustrationen: sandruschka, www.sandruschka.de © ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt, Stand: 2022 Artikelnummer 1020 2006 gefördert durch:

RkJQdWJsaXNoZXIy MzcwMzIy