Elternbrief Nr. 43

- - - - - - Die erste Liebe ist gewaltig. 43 Vertrauen bewahren Ihr Kind ist jetzt fast 14 Jahre alt und wirkt schon ziemlich erwachsen. Oft geht es nun seiner eigenen Wege. Die Toch- ter trifft sich mit Freundinnen, der Sohn spielt online stun denlang Computerspiele. Ihr Kind macht sich vielleicht schon Gedanken über die Zukunft und überlegt, in wel che Richtung es gehen möchte. Vielleicht hat es sich aber auch gerade verliebt und interessiert sich für nichts ande res mehr. Auch Ihre Familie verändert sich. Eltern rücken als Paar wieder näher zusammen oder sie haben sich aus- einandergelebt und wollen sich vielleicht sogar trennen. Eine Situation, die auch für die flügge wer denden Kinder nicht einfach ist. Briefe B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T INHALT Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Liebe, das Herzklopfen, die Zärtlichkeit? Vielleicht bringen die Erinnerungen Sie ja zum Lächeln und Sie können verstehen, wie sich Ihre Tochter oder Ihr Sohn vielleicht jetzt gerade fühlt. Zum ersten Mal verliebt: Das sind gewaltige Gefühle, die Ihr Kind da erlebt. Gleichzeitig gibt es vielleicht auch Unsicherheiten, stellen sich neue Fragen. Gehen Sie sensibel und einfühlsam mit Ihrem verliebten Kind um. Es ist 13 Jahre 6 Monate 1 Die erste Liebe 3 Über Verhütung sprechen 6 Das Betriebs- praktikum 7 Die Berufseinstiegs- begleitung 8 Schöne virtuelle Welt? 9 Internet-Abzocke 10 Cybermobbing 12 „Mein Kind wird abgezogen!“ 13 „Meine Eltern trennen sich!“

Stellen Sie sich nicht gegen den neuen Freund oder die neue Freundin. jetzt besonders verletzlich, darum sollten Sie sich keinesfalls über das junge Glück lustig machen oder peinliche Fragen stellen. Versuchen Sie auch, die Frotzeleien der Geschwister möglichst gut abzufangen. Begegnen Sie der Freundin oder dem Freund Ihres Kindes freundlich und mit Respekt. Auch für Sie als Eltern ist es ein großer Einschnitt, wenn Ihr fast jugendliches Kind eine Freundin oder einen Freund hat. Schauen Sie sich das Ganze erst einmal in Ruhe an und reagieren Sie nicht gleich mit Regeln und Verboten. Wenn Sie zu viel Kontrolle ausüben, entfremdet sich Ihr Kind von Ihnen. Außerdem schweißt eine feindliche Umwelt junge Paare nur umso fester zusammen. Was Sie Ihrem Kind, ob Sohn oder Tochter, allerdings nicht ersparen können, ist ein Gespräch über Verhütung und eine mögliche HIV-Infektion. Was aber tun, wenn Sie den Freund Ihrer Tochter oder die Freundin Ihres Sohnes so gar nicht leiden können und sich vielleicht sogar Sorgen um Ihr Kind machen? Wenn der Freund der Tochter zum Beispiel sehr viel älter ist als sie? Oder wenn die Freundin Ihres Sohnes nicht nur Piercings und Tattoos trägt, sondern auch raucht und trinkt? Die erste Beziehung ist für Jugendliche ein großer Schritt in Richtung Ablösung von den Eltern. Erwarten Sie nicht, dass der oder die Auserwählte perfekt den Vorstellungen entspricht. Manchmal ist die Wahl des ersten Freundes oder der ersten Freundin auch ein Ausdruck von Protest oder Anders-Sein-Wollen. Sprechen Sie mit Ihrer Tochter, Ihrem Sohn über Ihre Bedenken, versuchen Sie aber nicht, den Kontakt zu unterbinden, es sei denn, Sie sehen Ihr Kind akut gefährdet. Bleiben Sie für Ihr Kind eine Vertrauensperson, an die es sich wenden kann – besonders wenn es merkt, dass es einen Fehler gemacht hat. Unterstützen Sie es in seinem Streben nach Selbstständigkeit und machen Sie sich nicht allzu viele Sorgen. Sie haben Ihr Kind liebevoll bis hierher begleitet und haben ihm mit Ihrer Erziehung ein gutes Rüstzeug mitgegeben. Das wird ihm helfen, seine Beziehungen verantwortungsbewusst zu gestalten. 2

Es ist wichtig, dass über Verhütung Ihr Kind Bescheid weiß. Über Verhütung sprechen Mit der ersten Liebe werden auch Fragen zur Sexualität und Verhütung laut. Bisher waren die Aufklärungsgespräche, die Sie mit Ihrem Kind seit Jahren immer wieder geführt haben, graue Theorie. Aber in dem Moment, in dem sich Ihr Kind verliebt hat, wird es ernst. Früher oder später wird Ihre Tochter oder Ihr Sohn sexuelle Kontakte haben wollen. Deshalb ist es wichtig, dass Ihr Kind schon vorher gut darüber Bescheid weiß. Ihr Kind sollte die gängigsten Verhütungsformen kennen. Drängen Sie Ihrem Kind aber kein Gespräch auf, denn mit den Eltern über Sex sprechen zu müssen, ist für die allermeisten Jugendlichen ziemlich peinlich. Zeigen Sie Ihre Gesprächsbereitschaft, aber stellen Sie keine zudringlichen Fragen. Wenn Ihr Kind nicht zu Ihnen kommt, können Sie vielleicht eine Tante einschalten. Auch ein guter Freund der Familie ist geeignet, ein vertrauensvolles Gespräch zu führen. Jungs besprechen sich dabei meist lieber mit einem Mann, Mädchen mit einer Frau. Immer vorausgesetzt natürlich, dass die Beziehung zu dem Erwachsenen gut und vertrauensvoll ist. Wenn Ihr Kind abblockt, hilft vielleicht ein Buch weiter. Signalisieren Sie ruhig, dass Sie natürlich trotzdem immer für ein persönliches Gespräch zur Verfügung stehen. Aber auch hier gilt – zurückhalten und abwarten. © Bruno Glätsch / Pixabay.com Kondome Kondome sind in Apotheken oder Drogeriemärkten erhältlich. Sie werden oben auf dem steifen Penis aufgesetzt und dann darübergerollt. Sie sind die einzigen Verhütungsmittel, die gleichzeitig vor Schwangerschaft, HIV-Infektionen und Geschlechtskrankheiten schützen. Erkundigen Sie sich, ob Ihr Sohn oder Ihre Tochter wirklich genau weiß, wie man sie benutzt. Die Handhabung ist nicht ganz einfach, deshalb sollte der Umgang vor dem „ersten Mal“ unbedingt geübt werden. Am besten probiert man das richtige Abrollen einmal an einer Zucchini oder Banane aus. 3

Au ch AIDS ist ein Thema . Pille Die Pille ist ein hormonelles Verhütungsmittel für Frauen und verhindert, dass Eizellen heranreifen. Die Pille ist sicher, muss aber pünktlich und genau nach Vorschrift geschluckt werden. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Übelkeit können auftreten. Die Pille muss ärztlich verschrieben werden. Minipille Die Minipille enthält im Gegensatz zur normalen Pille kein Östrogen, sondern nur Gestagen. Dieses Hormon verhindert den vollständigen Aufbau der Gebärmutterschleimhaut und verfestigt den Schleim im Gebärmutterhals, sodass keine Samenfäden eindringen können. Die Minipille hat geringere Nebenwirkungen, muss aber äußerst pünktlich (immer zur gleichen Uhrzeit) eingenommen werden. Auch die Minipille ist verschreibungspflichtig. Spirale Die Spirale wird vom Frauenarzt in die Gebärmutter eingesetzt und kann je nach Größe und Art drei bis zehn Jahre in der Gebärmutter bleiben. Sie gibt dort bestimmte Wirkstoffe ab, die verhindern, dass Eizellen befruchtet werden und sich in der Gebärmutter einnisten. Ihre Tochter sollte bei der Wahl des richtigen Verhütungsmittels von Arzt oder Ärztin gut und gewissenhaft beraten werden. Sie können sie auch dorthin begleiten, aber nur, wenn Ihre Tochter das möchte. Auch das Thema AIDS sollte nicht ausgespart werden. Viele Jugendliche winken da gerne ab, da sie denken, AIDS betreffe sie nicht, weil sie zu keiner Risikogruppe gehören. Doch die Krankheit ist längst in der breiten Bevölkerung angekommen. Jugendliche sollten auf jeden Fall über die Krankheit Bescheid wissen. Sie sollten wissen, wie man sich anstecken und vor allem wie man sich davor schützen kann. 4

Nur Kondome schützen vor einer HIV-Infektion. Was ist HIV / AIDS? Und wie kann man sich anstecken? AIDS ist die Abkürzung für Acquired Immune Deficiency Syndrome (= „erworbenes Immundefektsyndrom“) und ist eine Abwehrschwächekrankheit. Sie ist die Folge einer Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HI-Virus, HIV). Die Infektion ist bis heute nicht heilbar, aber inzwischen kann sie relativ gut therapiert werden. In der ersten Phase (Latenzzeit) der Ansteckung vermehrt sich das Virus im Körper, ohne dass auffällige Symptome auftreten. Von der ersten Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit dauert es im Durchschnitt neun bis elf Jahre. Eine Ansteckung ist dann möglich, wenn die Schleimhäute mit Körperflüssigkeiten (wie etwa Sperma, Scheidenflüssigkeit, Blut oder Muttermilch) eines oder einer HIV-Infizierten in Berührung kommen. Dies kann geschehen beim Sex ohne Kondom, bei Bluttransfusionen, beim gemeinschaftlichen Benutzen von Spritzen, beim Stillen. Kein Anstreckungsrisiko besteht beim Küssen, Umarmen oder Händeschütteln, beim Essen in einem Restaurant, Toilettengang oder beim Sport. Der beste Schutz vor einer HIV-Infektion ist das Kondom. Denn auch beim Petting (sexuelle Stimulation mit Hand oder Mund) besteht durchaus ein Risiko, sich anzustecken. 5

Das Arbeitsleben kennenlernen. Das Betriebspraktikum In der achten oder neunten Klasse ist für die Schülerinnen und Schüler an Gymnasien, Real- und Mittelschulen sowie Förderschulen ein Berufspraktikum vorgesehen. Damit können sie erste Erfahrungen in der Arbeitswelt sammeln. Besonders für diejenigen, die schon bald ins Arbeitsleben eintreten werden, kann das Praktikum eine wichtige Entscheidungshilfe sein. Im Vorfeld der Suche nach einem Ausbildungsplatz können erste Kontakte zu möglichen Arbeitgebern geknüpft werden. Daher ist es sinnvoll und wichtig, das Praktikum auch ernst zu nehmen und Einsatz zu zeigen. Aber auch für Gymnasiasten ist das Praktikum eine wichtige Erfahrung. Gerade wenn junge Menschen lange im schulischen Umfeld bleiben, ist es sinnvoll, ihren Sinn für die Realitäten des Lebens zu stärken. Bei der Suche nach der Praktikumsstelle können Sie als Eltern Ihr Kind unterstützen. Halten Sie es dazu an, sich rechtzeitig um einen Platz zu bemühen. Machen Sie ruhig eigene Vorschläge, aber berücksichtigen Sie dabei auch die Wünsche Ihres Kindes. Sinnvollerweise sollte das Praktikum nicht am Arbeitsplatz eines Elternteils stattfinden. Dieses Berufsfeld kennt Ihr Kind ja zumindest aus Erzählungen. Es sollte etwas ganz Neues kennenlernen und sich auch in einer fremden Umgebung zurechtfinden. © rawpixel /Pixabay.com 6

Begleiteter Übergang von der Schule ins Arbeitsleben. Die Berufseinstiegsbegleitung Die sogenannte Berufseinstiegsbegleitung unterstützt Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zu einem erfolgreichen Schulabschluss und hilft ihnen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Dazu arbeiten an vielen Mittel- und Förderschulen in Bayern speziell ausgebildete Fachkräfte. Sie begleiten die Schülerinnen und Schüler ab der achten Klasse bis ein halbes Jahr nach dem Beginn ihrer Ausbildung. Das Angebot ist vor allem für lernschwache Schüler gedacht. Gemeinsam mit ihnen wird versucht, die Gründe für die Schulprobleme zu finden und möglichst auch zu beheben. Zusammen mit Lehrern und Eltern wird daran gearbeitet, dass die Jugendlichen aus eigener Kraft Probleme angehen und ihre Leistungen verbessern können. Für die Berufswahl müssen die Fähigkeiten und die Neigungen eines jungen Menschen berücksichtigt werden, ebenso seine Leistungsfähigkeit und die Anforderungen, die in den jeweiligen Berufen gestellt werden. Hierbei kann der Berufseinstiegsbegleiter wichtige Hilfestellung geben. Für die Suche nach einer Ausbildungsstelle erstellen die Schülerinnen und Schüler unter Anleitung der Begleiter ihre Bewerbungsunterlagen. Auch für ihre Vorstellungsgespräche werden sie entsprechend trainiert. Sie erfahren etwas über den regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt und lernen, wie man freie Ausbildungsplätze findet. Ist eine Ausbildungsstelle gefunden, so begleiten die Betreuer ihre Schützlinge noch über ein halbes Jahr hinweg. Sie helfen bei Startschwierigkeiten und ersten Konflikten, bis sich das Ausbildungsverhältnis ausreichend stabilisiert hat. Wenn Sie denken, dass auch Ihr Kind eine solche Unterstützung gut gebrauchen könnte, wenden Sie sich an die Schulleitung. Wenn an der Schule Ihres Kindes diese Form der Unterstützung nicht angeboten wird, kann Ihr zuständiges Jugendamt Ihnen Einrichtungen nennen, die Ihr Kind in ähnlicher Weise fördern und begleiten können. 7

Das Netz vergisst nichts. Schöne virtuelle Welt? Jugendliche holen sich im Internet nicht nur Informationen oder schreiben ein paar E-Mails, wie Sie als Eltern das vielleicht tun. Sie nutzen das Web interaktiv, indem sie nicht nur Informationen sammeln, sondern auch selbst zur Verfügung stellen. Sie kommunizieren miteinander in sozialen Netzwerken und stellen eigene Texte, Musik oder Filme ins Netz. Doch wer zu viel von sich preisgibt, geht auch Risiken ein. Experten warnen davor, sich selbst im Internet allzu öffentlich sichtbar zu machen. Der Satz „Das Netz vergisst nichts!“ hat durchaus Berechtigung. Mit ein paar Mausklicks kann jedermann Webinhalte auf seine Festplatte laden und zu welchem Zweck auch immer weiterverwenden. Auch vermeintlich Gelöschtes kann an anderer Stelle wieder auftauchen. Es ist zwar möglich, die auf eine Website gestellten Informationen wieder von der Seite zu nehmen, komplett gelöscht sind sie deshalb aber noch lange nicht. Suchroboter zum Beispiel durchkämmen beständig das Netz und kopieren vollständige Internetseiten. Über frei zugängliche Internetarchive sind also auch Seiten zu finden, die eigentlich schon lange nicht mehr online sind. Auch Daten, die man zum Beispiel bei Facebook einstellt, bleiben auf deren Servern gespeichert, nachdem man sie von seiner Seite gelöscht hat. Wenn Jungs sich im Internet als Partymacher, Säufer und Faulenzer darstellen oder Mädchen sexy Fotos von sich ins Netz stellen, kann das für sie auch beruflich unangenehme Folgen haben. So schauen heute viele Arbeitgeber und Personalchefs auch ins Internet, um zu sehen, womit ihre Bewerber so ihre Freizeit verbringen. Jugendschützer empfehlen jungen Nutzerinnen und Nutzern: eine zusätzliche E-Mail-Adresse anzulegen, die nur für OnlineRegistrierungen (zum Beispiel bei Onlineshops oder GamerPortalen) genutzt wird, sich zu informieren, was der Anbieter mit den Daten macht, seine Daten nicht an jeden weiterzugeben, seinen Nickname (engl. „Spitzname“) nur vertrauenswürdigen Personen mitzuteilen, 8

Lieber etwas misstrauisch sein. nur Nicknames und E-Mail-Adressen zu benutzen, die keine Rückschlüsse auf Person, Alter oder Geschlecht erlauben, keine Fotos, keine richtigen Namen, keine Adressen oder Telefonnummern ins Netz zu stellen. Aber auch Sie als Eltern sind gefragt. Bleiben Sie mit Ihrem Kind in Kontakt, was seine Aktivitäten im Internet betrifft. Es gibt Internetportale für Minderjährige, die überwacht und moderiert werden. Gerade Kinder und Jugendliche brauchen im Netz noch Schutz und gewisse Grenzen, innerhalb derer sie sich sicher bewegen können. Vorsicht, Internet-Abzocke! Kinder und Jugendliche erliegen besonders häufig den Versuchungen des Internets: Hier wird Hausaufgabenhilfe umsonst angeboten, dort lockt der Gewinn einer neuen Spielkonsole. Klickt man das Angebot an, wird vom Nutzer oft unbemerkt ein Vertrag abgeschlossen und kurze Zeit später werden Gebühren oder stattliche Beträge fällig. Wer nicht zahlt, dem flattert schnell der Brief eines Inkassounternehmens mit einer sofortigen Zahlungsaufforderung und Androhung einer Klage ins Haus. Eltern von Minderjährigen können einen Vertrag natürlich ablehnen, wenn es sich um ein betrügerisches Angebot handelt. Aber auch seriöse Käufe oder Abonnements dürfen rückgängig gemacht werden: nämlich dann, wenn der Gesamtkaufbetrag das Taschengeld Ihres Kindes übersteigt oder wenn Ihr Kind noch nicht alles bezahlt hat. Machen Sie Ihre Kinder auf die Gefahren von kostenpflichtigen Internetangeboten aufmerksam. Machen Sie ihnen klar, dass sie alles – also möglichst auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen – lesen müssen. Das ist besonders für später wichtig, wenn sie erst einmal volljährig sind und alles selbst bezahlen müssen. 9

Cybermobber bleiben meist anonym. Cybermobbing So gut wie alle Jugendlichen sind heutzutage online, aber nicht immer verläuft die Kommunikation dort friedlich. So gibt es zum Beispiel seit einigen Jahren völlig neue Phänomene der Jugendgewalt, wie etwa das Cybermobbing (oder auch Cyberbullying bzw. Cyberstalking), eine neue Variante des Mobbings, das online in den sozialen Netzwerken oder über Messenger-Apps stattfindet. Kinder und Jugendliche werden niedergemacht, verleumdet, mit Hass-Nachrichten überschüttet oder heimlich gefilmt. Auch das Weiterleiten privater Bilder (Stichwort „Sexting“) oder Nachrichten gehört dazu. Die Opfer von Cybermobbing werden online absichtlich und fortwährend beleidigt, bloßgestellt, bedroht oder belästigt. Rund um die Uhr wird ihr Privatleben angegriffen. Die Täter oder „Cyberbullys“ sind dabei enthemmt, da sie meistens anonym bleiben und in der Netzgemeinde ein unüberschaubar großes Publikum haben. Sie sind schwer zu fassen, weil sie sich im Internet hinter Nicknames und gefälschten Benutzerprofilen verstecken können. Die Angegriffenen haben keinerlei Kontrolle darüber, was über sie geschrieben wird und welche ihrer Daten die Cyberbullys an andere weitergeben. Es ist typisch, dass Eltern, deren Kind das Opfer einer CyberAttacke wird, zunächst nichts davon erfahren. Die meisten Kinder schämen sich zu sehr. Auch Ihr Kind wäre sicher zutiefst verunsichert. Vielleicht lässt sich eine Veränderung in seinem Verhalten feststellen: Es ist stiller als sonst, isst kaum noch, zieht sich zurück und wirkt fast depressiv. Gehen Sie der Sache auf den Grund, versuchen Sie herauszufinden, was los ist. Lassen Sie Ihr Kind nicht alleine! Manchmal hilft auch ein Gespräch mit dem bestem Freund oder der besten Freundin. Wenn Sie feststellen müssen, dass Ihr Kind gemobbt wird, sollten Sie die Initiative ergreifen. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass es sich die Angriffe nicht gefallen lassen muss. Stehen Sie ihm zur Seite und suchen Sie Hilfe und Unterstützung, in der Schule oder auch außerhalb. 10

Mögliche Alarmsignale: Leistungsabfall in der Schule, Rü ckzug in andere Welten, Gesundheitsprobleme, Depressionen. © Gerd Altmann / Pixabay.com Wie reagiert man auf Cybermobbing? Ignorieren Sie die beleidigenden Nachrichten. SperrenSie den Täter auf der Profilseite. Wenden Sie sich an den Betreiber der Website. Wenn die Angriffe zumBeispiel in einemder sozialen Netzwerke stattfinden, gibt es dafür eine extra Meldefunktionmit speziellem„Melden“- Button. Versuchen Sie herauszufinden, Notieren Sie die Vorfälle und sichern Sie Beweise in Form von Screenshots. Suchen Sie Hilfe von Fachkräften (zum Beispiel Vertrauenslehrer, Schulpsychologin, Sozialarbeiter an der Schule). Erstatten Sie Anzeige, wenn Ihre Versuche, das Mobbing abzustellen, scheitern. Denn Cybermobbing kann auch strafrechtlich verfolgt werden. wer einen Groll gegen Ihr Kind hegen könnte. 11

„Mein Kind wird abgezogen!“ Wenn Jugendliche von „Abziehen“ oder „Abzocken“ sprechen, meinen sie, jemanden bestehlen, erpressen oder berauben. Meist geschieht es durch eine Gruppe. Mehrere Kinder und Jugendliche tun sich zusammen und nehmen einzelne Gleichaltrige oder jüngere Kinder ins Visier. Erst bitten sie nur harmlos um eine Zigarette und plötzlich wollen sie Zigaretten für alle. Nicht selten folgt dann die Frage: „Was hast du denn sonst noch dabei?“ Die Gruppe kreist ihr Opfer ein, schubst es und der Angegriffene geht nicht selten zu Boden. Sie treten und malträtieren ihn und rauben ihn schließlich aus. Handy, Turnschuhe oder andere Wertgegenstände werden „abgezogen“. Situationen wie diese sind für das Opfer gefährlich, bedrohlich und auch traumatisierend. Wenn sich die Vorkommnisse häufen, bis das Kind nichts mehr beWie verhalte ich mich als Opfer richtig? Ruhig bleiben Nicht provozieren lassen Ausweichen Nachgeben Möglichst schnell die Polizei einschalten, damit die Täter gefasst werden können. sitzt, kann es selbst zum Dieb werden, um die immer neuen Forderungen der Gruppe zu befriedigen. Wenn Ihr Kind also verdächtig oft etwas Wertvolles „verliert“, könnte es sein, dass es erpresst wird. Dann müssen Sie sofort eingreifen. Was können Eltern im Ernstfall tun? Sprechen Sie mit Ihrem Kind, fragen Sie es, was es in seiner Situation braucht. Nehmen Sie es sofort aus der gefährlichen Situation heraus, bringen Sie es notfalls vorübergehend selbst zur Schule oder versuchen Sie, eine Begleitung zu organisieren. Wenn die Täter die gleiche Schule besuchen, wenden Sie sich an die Schulleitung oder an den zuständigen Sozialpädagogen (JaS). Schalten Sie, wenn möglich mit Einverständnis des Kindes, die Polizei ein. 12

Die Eltern-KindRollen kehren sich um. „Meine Eltern trennen sich“ Wenn Eltern auseinandergehen, ist das schon für Kinder nicht einfach. Für Teenager aber ist es besonders schwierig. Haben sie doch mit der Pubertät genug zu tun. Eigentlich sind sie dabei, sich von ihren Eltern abzulösen, brauchen sie aber noch als sicheren Hort, als Helfer in der Not und als Gesprächspartner, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Die Eltern sind während eines Trennungsprozesses sehr stark mit sich selbst beschäftigt und verlieren ihr Kind, das schon so selbstständig scheint, leicht aus dem Blick. Manchmal merken sie nicht, dass ihr Kind seltsame Freunde hat, die Schule schwänzt oder sich mehr und mehr zurückzieht. Auf der anderen Seite werden die Kinder oft gebraucht: als Gesprächspartner zum Beispiel oder als Gesellschafter, weil Vater oder Mutter jetzt gerade nicht allein sein können. Die Rollen sind plötzlich vertauscht. Doch mit solchen Aufgaben sind auch ältere Kinder und Jugendliche überfordert. Ihre Entwicklungsaufgabe ist es ja gerade , sich von den Eltern zu lösen und nicht, sie zu stützen und ihnen Sicherheit zu geben. Hinzu kommt, dass durch die Trennung der Eltern oft auch ein Umzug nötig wird. Aber für ältere Kinder und Jugendliche ist ein stabiles soziales Umfeld ganz besonders wichtig. Die Schule, die Freunde, die Wohnung, das eigene Zimmer, all das möchten sie sehr ungern verlassen. Ein Umzug ist für sie meist sehr problematisch, selbst wenn er nicht durch die Trennung der Eltern ausgelöst wurde. Menschen in Trennung erleben eine schwere Zeit. Schmerz, Verzweiflung, Wut, Angst und Unsicherheit prägen das Gefühlsleben. Dazu kommen oft Existenzängste, finanzielle Sorgen und berufliche Neuorientierung. Und zu allem Überfluss ist das Kind auch noch in der Pubertät, ist verletzlich, ist schwierig. 13

Für das Kind bleibt keine Kraft mehr übrig. Es fällt schwer, ihm oder ihr gegenüber die richtigen Worte zu finden, um zu erklären, was gerade passiert. Nach all den Streitgesprächen mit dem Noch-Ehepartner hat man oft gar nicht mehr die Kraft, mit der Tochter oder dem Sohn noch weitere Konflikte auszutragen. Es fällt schwer, „nein“ zu sagen, und es fällt auch schwer, dem Kind ein interessierter Gesprächspartner zu sein. Zugleich stellt sich die Frage, bei welchem Elternteil das Kind leben wird. Die Angst, das Kind an den Ex-Partner, die Ex-Partnerin zu verlieren, verleitet viele Eltern dazu, um ihr Kind zu werben und den anderen Elternteil entsprechend schlechtzumachen. Für Kinder und Jugendliche ist die Abwertung des einen Elternteils durch den anderen, das Schimpfen auf seinen Vater oder seine Mutter, meist besonders belastend. Sie kommen dadurch leicht in Loyalitätskonflikte, haben das Gefühl, sie müssten sich für einen von beiden Elternteilen entscheiden. Eltern bleiben Eltern, auch wenn sie sich trennen. Auch wenn Sie auseinandergehen, sollten Sie versuchen, Ihre Tochter oder Ihren Sohn bei ihrer Entwicklung so gut es geht zu unterstützen. Und zu dieser Entwicklung gehört auch die Ablösung von den Eltern. Für Schwierigkeiten mit dem oder der Jugendlichen werden oft die Trennung oder auch der ExPartner verantwortlich gemacht. Dabei übersehen viele, dass es noch andere Gründe geben könnte: Die Pubertät ist auch in intakten Familien eine sehr schwierige Zeit, und zwar sowohl für die Eltern als auch für die Kinder. Und auch die Veränderung der Lebenssituation – ein Umzug, ein Schulwechsel, der Verlust der Clique – können Jugendliche massiv belasten, ohne dass die Trennung unmittelbar daran „schuld“ wäre. 14

Jugendliche in der Puber tät trifft die Trennung der Eltern manchmal besonders stark . Wie können Eltern sich jetzt am besten verhalten? Wenn Sie gerade eine Trennung erleben, dann suchen Sie für sich selbst Hilfe und Unterstützung. Das kann eine Beratung sein, eine Einzeltherapie oder auch eine Gruppe. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, die Situation mit einem „Profi“ zu besprechen. Das hilft, die Trennung besser und vielleicht auch schneller zu verarbeiten und die seelische Stabilität wiederzufinden. In der Beratung oder Therapie können Sie sich immer wieder Rat holen, wie Sie mit den Kindern in der Trennungssituation gut umgehen und wie Sie es vermeiden können, sie in den Partnerkonflikt hineinzuziehen. Wenn Sie die Entscheidung getroffen haben, sich zu trennen, sprechen Sie als Eltern am besten gemeinsam mit Ihrem Kind oder Ihren Kindern. Erklären Sie – möglichst ohne Schuldzuweisungen –, wie Sie sich entschieden haben und warum. Sagen Sie auch, was sich künftig ändern wird und was bleiben kann, wie es ist. Klären Sie möglichst schon vorab, bei wem Ihr Kind hauptsächlich leben wird und wie Sie als Eltern den Umgang mit Ihrem Kind gestalten wollen. Bringen Sie es nicht in die Situation, sich entscheiden und damit einen von Ihnen „abwählen“ zu müssen. Es wäre wünschenswert, dass Ihr Kind in seinem gewohnten Umfeld bleiben kann. Wenn die Familienwohnung aufgegeben werden muss, so findet sich vielleicht eine Wohnung in der Nähe, damit für die Kinder nicht auch noch ein Schulwechsel nötig wird. © Manfred Antranias Zimmer / Pixabay.com 15

B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim OnlineRatgeber „BAER“, www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Aufklärung und Verhütung Weitere Informationen finden Sie bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) www.sexualaufklaerung.de Internet / Cybermobbing Hierzu informieren unsere Medienbriefe: www.baer.bayern.de/medienbriefe sowie www.klicksafe.de oder die Homepage: www.bmfsfj.de, des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Abzocke im Internet Auf der Webseite: www.verbraucherzentrale-bayern.de finden Sie Anlaufstellen. Trennung Erziehungs-, Familien- oder psychologische Beratungsstellen gibt es in nahezu jeder Stadt. Eine regionale Übersicht finden Sie unter: www.erziehungsberatung.bayern.de sowie auf www.lag-bayern.de/erziehungsberatung, der Landesarbeitsgemeinschaft Erziehungsberatung. Im nächsten Elternbrief: – Keine Machtkämpfe! – Wenn Ihr Kind die Nacht zum Tag macht – Wie viel Freiheit darf sein? Ausgehen und Jugendschutz – Rund um die Schule: Schwänzen – Wohin mit Ihrer Wut? – Taschengeld & Kleidergeld – „Mein Kind hat geklaut!“ Die Elternbriefe werden gefördert durch: 43 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202143

RkJQdWJsaXNoZXIy MzcwMzIy