Elternbrief Nr. 36

- - Das Ende der Grundschulzeit ist abzusehen. B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Briefe 36 INHALT Alter: 10 Jahre Auf dem Sprung! Der zehnte Geburtstag ist für Ihr Kind etwas ganz Beson deres: endlich zwei Zahlen, endlich groß! Viele Veränderun gen stehen ihm bevor: eine neue Schule, neue Lehrer, neue Freunde. Auch körperlich und seelisch tut sich bei Ihrem Kind einiges. Die Latenzphase, die „Ruhe vor dem Sturm“, nähert sich ihrem Ende und bald beginnt die aufregende Zeit der Pubertät. Bei einer Tochter werden Sie die Veränderungen vielleicht eher wahrnehmen als bei einem Sohn. Mädchen sind in der Regel ein bis eineinhalb Jahre früher dran als Jungen. Kein Kind gleicht dabei dem anderen – aber jedes braucht seine Eltern, ganz besonders in der Pubertät. Die Pubertät, also die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen, kommt nicht über Nacht. Sie bahnt sich langsam an und dauert in der Regel sechs bis sieben Jahre. Experten unterteilen diese Zeitspanne in folgende Phasen: Vorpubertät (zwischen neun und elf Jahren), Pubertät (zwischen zwölf und 14 Jahren) und Spätpubertät / Adoleszenz (ab etwa 14 Jahren). In der Vorpubertät beginnt der körperliche Umbau: Die Kinder schießen in die Höhe und ihre Körperformen werden ausgeprägter. Zur selben Zeit begin1 Auf dem Sprung: die Vorpubertät 3 Früh- oder Spätentwickler? 5 Die erste Periode 7 In der neuen Schule 10 Strafe oder Konsequenz 13 Einmal Papa, einmal Mama

nen sich auch die primären (äußeren) Geschlechtsmerkmale zu entwickeln. Beim Jungen wachsen der Penis und die Hoden, beim Mädchen die Vagina, Gebärmutter und Eileiter. Ursache für diese Entwicklung ist die vermehrte Produktion von Hormonen – Östrogene bei den Mädchen und Testosterone bei den Jungen. Sie lassen auch die ersten Härchen an der Oberlippe und unter den Achseln sprießen. Erste Schamhaare zeigen sich, die Hodensäcke und Brustwarzen werden dunkler. Auch die Brüste entwickeln sich. Der Körper der Mädchen wird insgesamt gerundeter, bei den Jungen bildet sich die Muskulatur aus, sie werden kantiger. Die kindlichen Propor tionen verändern sich . Diese Veränderungen des Körpers sind ein massiver Eingriff, der Kinder ziemlich aus der Bahn werfen kann. Die Hosen werden ständig zu kurz, die Oberteile zu eng. Viele Kinder fühlen sich in ihrem eigenen Körper nicht mehr wohl und würden am liebsten im Erdboden versinken, wenn sie darauf angesprochen werden. Einige sind jetzt extrem schamhaft und vieles ist ihnen peinlich. Während sie sich zum Beispiel noch vor einiger Zeit ungeniert nackt vor den Eltern oder Geschwistern gezeigt haben, fangen sie jetzt an, die Badezimmertür zu verschließen. Auch seelisch verändern sich die Kinder. Sie sind extremen Launen unterworfen – manchmal himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt. Sie sind reizbar, oft sogar aggressiv. Plötzlich haben sie Geheimnisse und gebrauchen auch schon mal die eine oder andere Lüge. Sie distanzieren sich von den Eltern, bauen an ihrer eigenen kleinen Welt. Sie orientieren sich neu. Das alles ist aufregend und spannend, aber auch anstrengend, und zwar nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern. Über die weiteren Entwicklungsstufen werden Sie zu gegebener Zeit lesen (siehe Elternbriefe 40 und 46). 2

Körper und Seele passen nicht mehr zusammen. Früh- oder Spätentwickler? Schauen Sie sich einmal die Klasse Ihres Kindes an: Da sind die einen, die immer noch sehr kindlich aussehen. Und da sind die anderen, die den Rest der Klasse um einen Kopf oder sogar mehr überragen. Selbst kleine Bartschatten bei den Jungen oder Ansätze von Busen bei den Mädchen sind nicht selten. Die psychische Entwicklung der Kinder ist in dieser Zeit ebenfalls sehr unterschiedlich. Ist das eine Kind noch sehr verspielt, so richtet sich das andere vielleicht eher an älteren Geschwistern aus und zeigt bereits jugendliche Interessen, etwa an Popmusik oder coolem Styling. Kinder zu sehen, die sich so anders als die eigenen entwickeln, verunsichert Eltern oftmals. „Ist mein Kind hintendran?“ oder „Ist mein Kind frühreif?“ sind typische Fragen. Seien Sie ganz beruhigt. Es gibt kaum eine Altersspanne, in der die Unterschiede zwischen den Kindern größer sind als jetzt. Dass ein Mädchen körperlich früh entwickelt ist, bedeutet aber noch lange nicht, dass es auch seelisch bereits ein Teenager ist. Es kann sich innerlich noch genau so kindlich fühlen wie ein weniger entwickeltes Mädchen. Mädchen leiden öfter darunter, dass sie von ihrer Umwelt falsch eingeschätzt werden, zum Beispiel wenn die älteren Jungs auf sie reagieren, sie ansprechen oder (manchmal zweifelhafte) Komplimente machen. Bei den Jungs verhält es sich ähnlich. Auch hier werden die größeren Jungs oftmals überschätzt. Sie wissen zudem noch nicht, wie viel Kraft in ihnen steckt. Bei kleinen Balgereien passiert es darum öfters, dass sie die Grenze überschreiten und anderen auch wehtun. Innerlich sind sie jedoch häufig noch Kinder. Spätentwickler hingegen haben ganz andere Sorgen. Sie werden eher gehänselt oder als „Babys“ bezeichnet. Auch von den Erwachsenen werden sie nicht immer altersgemäß behandelt, weil sie ja noch so „klein und niedlich“ sind. Das kratzt am Selbstwertgefühl. Auch die kleinen Freiheiten, die die Kinder immer mehr suchen und brauchen, erobern sie sich schwerer als Frühentwickler, die schon so viel reifer wirken und denen schon mehr zugetraut wird. 3

Bleiben Sie gelassen und zeigen Sie Ihrem Kind, dass alles okay ist . © TanteTati / Pixabay.com Beobachten Sie die Entwicklung Ihres Kindes mit Gelassenheit. Kinder entwickeln sich nun einmal unterschiedlich schnell. Irgendwann wird sich dies aber wieder ausgleichen. Geben Sie Ihrem Kind vor allem das Gefühl, dass es so, wie es ist, richtig ist. Wenn es Kummer hat, weil es schon so früh oder im Gegenteil erst so spät entwickelt ist, trösten Sie es. Erzählen Sie ihm ruhig davon, wie das bei Ihnen war und dass am Ende doch immer alles gut wird. Kommentieren Sie seine Entwicklung nicht vor ihm, seien Sie taktvoll. Schwierig genug, wenn man mit zehn Jahren schon einen Busen bekommt. Aber wenn das Thema auch noch beim Abendessen oder vor anderen Leuten besprochen wird, ist das für Kinder sehr, sehr peinlich. Behandeln Sie Ihr Kind nach Alter, nicht nach Aussehen – schließlich ist Ihr Schatz schon zehn Jahre alt! Behandeln Sie ihn nicht wie einen Siebenjährigen, sonst leidet sein Selbstbewusstsein, aber auch nicht als wäre er schon 13, das würde ihn überfordern. 4

Das Einsetzen der Regel hängt au ch mit dem Körpergewicht zusammen. Die erste Periode Haben Sie an Ihrer Tochter schon körperliche Veränderungen bemerkt? Ist sie in letzter Zeit ziemlich gewachsen und hat auch an Gewicht zugelegt? Wird sie in letzter Zeit immer stiller, manchmal vielleicht sogar ein bisschen launisch? Ist sie empfindlich und reagiert über? Zieht sie sich öfter zurück und ist nicht mehr so mitteilsam wie noch vor ein paar Monaten? Dann ist das Einsetzen der ersten Regel vielleicht nicht mehr fern. Wussten Sie eigentlich? Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die erste Periode (unter anderem) mit dem Körpergewicht bzw. Fettanteil des Körpers zusammenhängt. Wenn Ihre Tochter ein Gewicht zwischen 45 und 50 Kilo erreicht hat, können Sie davon ausgehen, dass die erste Periode bald einsetzen wird. Zeit zum Reden Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für ein Mutter–Tochter–Gespräch gekommen. Wählen Sie einen guten Moment. Vielleicht ziehen Sie sich mit einer Tasse Tee oder Kakao aufs Sofa zurück oder Sie unternehmen einen langen Spaziergang miteinander. Erklären Sie Ihrem Kind, was bei der Monatsblutung passiert, aber nicht zu medizinisch. Obwohl Ihre Tochter jetzt auf der Schwelle zum Frausein steht, ist sie doch noch ein kleines Mädchen. Erklären Sie ihr kindgerecht, was in ihrem Körper jeden Monat ablaufen wird. Machen Sie ihr klar, dass die Menstruation keine Krankheit ist. Zeigen Sie ihr Monatsbinden und erklären Sie ihr auch, wie ein Tampon funktioniert (wobei diese sich am Anfang wegen der Größe und Handhabung noch nicht ganz eignen). Erzählen Sie Ihrer Tochter vielleicht von Ihrer eigenen Periode, wie Sie sich gefühlt haben, wie Ihre Mutter reagiert hat. Vielleicht sind Sie ja selbst etwas gehemmt oder Ihr Kind blockt das Thema ab? Hören Sie sich um: In vielen Landkreisen und Städten werden mittlerweile Kurse oder Veranstaltungen für Mädchen zum Thema „Erste Periode“ angeboten. Denken Sie daran: Je besser Ihre Tochter vorbereitet ist, desto einfacher wird sie damit umgehen können. 5

Wärme tut gut und entspannt bei Krämpfen. Feiern Sie ein Fest In vielen Kulturen wird das Einsetzen der ersten Periode als Anlass zum Feiern genommen. Das junge Mädchen wird damit in die Gesellschaft der Frauen eingeführt. Solche Rituale, die Initiationsriten, kennen wir in der westlichen Welt nicht. Aber auch bei uns feiern manche Mütter die erste Periode ihrer Tochter. Sie machen ihr ein kleines Geschenk oder gehen gemeinsam essen. © Oleksandr Pyrohov / Pixabay.com Was tun bei Regelschmerzen? Vor allem in den ersten Jahren leiden Mädchen oft unter starken Regelschmerzen. Sie haben Bauchkrämpfe und/ oder auch Rückenschmerzen, einige müssen sich sogar übergeben und sind für einen Tag völlig aus dem Gleichgewicht. Greifen Sie nicht gleich zu Schmerztabletten, sondern lassen Sie Ihre Tochter zuerst diese Hausmittel ausprobieren: die gute alte Wärmflasche; spezielle Tees (Kamille, Himbeerblätter, Schafgarbe oder auch Frauenmantel); Frauentropfen. Die Mischung aus verschiedenen Tinkturen (Kamille, Pfefferminz, Baldrian u. a.) erhalten Sie in der Apotheke; Atemübungen: Auf den Rücken legen, ein Bein anziehen, Knie mit beiden Händen zum Bauch hinziehen. Kopf heben und tief in den Bauch atmen. Dann die gleiche Übung mit dem anderen Bein durchführen. In vielen Fällen werden die Schmerzen und/oder die starken Blutungen nach einer Weile leichter. Der Hormonhaushalt muss sich einfach erst einspielen. Ist das geschehen, lassen auch die Beschwerden nach. Falls sich die Regelschmerzen im Laufe der Zeit nicht bessern, sollten Sie mit Ihrer Tochter zum Arzt gehen. Schmerzhafte Monatsblutungen können auch organische Ursachen haben. 6

In der neuen Schule Was hat Ihr Kind nicht alles gelernt in den letzten vier Jahren! Es hat sich Lesen, Schreiben, Rechnen und viel Allgemeinwissen angeeignet. Es hat gelernt, sich in einer Klasse zurechtzufinden, sich anzupassen, aber auch durchzusetzen, seine Meinung zu sagen, aber auch zuzuhören. Nun kommt es bald in die fünfte Klasse und muss sich wieder auf sehr viel Neues einstellen. Ob nun die künftige Schule Ihres Kindes eine Mittelschule, eine Realschule oder ein Gymnasium sein wird, auf jeden Fall ist der Übergang ein weiterer Meilenstein im Leben Ihrer Familie. Ihr Kind wird zum größten Teil neue Klassenkameraden haben und von neuen Lehrkräften unterrichtet werden. Anders als in der Grundschule werden in einer weiterführenden Schule die verschiedenen Fächer auch von verschiedenen Lehrkräften unterrichtet. Es gibt zwar noch den Klassenleiter, aber dieser ist keine so enge Bezugsperson für die Kinder mehr wie in der Grundschule, da er weniger Stunden pro Woche in der Klasse verbringt. Dennoch ist er Ansprechpartner bei vielen Problemen, organisiert die Klassensprecherwahl, geht mit auf Wandertag und vieles mehr. Manche Kinder vermissen den früheren engen Kontakt zur Klassenlehrerin. 7

Was wird noch alles anders? Ihr Kind lernt eine Fremdsprache. Meist ist es Englisch, im Gymnasium kann es – je nach Ausrichtung – auch Latein sein. Englisch hatte Ihr Kind ja schon in der Grundschule, allerdings ist der Sprachunterricht ab jetzt viel leistungsorientierter. Hörverständnis und Sprechen waren in der Grundschule Schwerpunkt des Englischunterrichtes, jetzt kommen verstärkt Vokabellernen, korrektes Schreiben und Grammatik hinzu. Ihr Kind hat, je nach Schulart, auch andere neue Fächer. Das sind zum einen die Einzelfächer wie Geografie oder Sport, so wie Sie sie auch aus Ihrer eigenen Schulzeit kennen. Zum anderen sind da die integrierten Fächer wie „Arbeit-WirtschaftTechnik“ an der Mittelschule, „Arbeitslehre“ (eine Zusammensetzung aus Arbeit, Wirtschaft, Technik und Informatik) an der Realschule sowie „Natur und Technik“ am Gymnasium. Nachmittagsunterricht betrifft die Schüler in der fünften Jahrgangsstufe meist nur an einem oder zwei Nachmittagen. Aber in den nächsten Jahren wird sich Ihr Kind mehr und mehr an Nachmittagsunterricht gewöhnen müssen. Darüber hinaus werden in Bayern für alle Schularten vermehrt Ganztagsklassen oder Ganztagsschulen angeboten. Immer mehr unter den weiterführenden Schulen bieten auch ein preiswertes warmes Mittagessen an. Der Unterricht wird leistungsorientier ter. © Bruno Glätsch / Pixabay.com 8

Ich gehöre zu den Großen! Sie sehen also, dass sich manche Dinge verändern werden. Wie es Ihrem Kind wohl damit ergehen wird? In erster Linie wird es stolz sein, denn es ist nun schon groß, fast schon jugendlich. Dieser neue Lebensabschnitt verspricht aufregend zu werden: neue Mitschüler, neue Lehrer, neue Fächer. Und an seiner neuen Schule sieht es die „Großen“, die 15- bis 18-jährigen Schülerinnen und Schüler, und schaut vielleicht bewundernd zu ihnen auf. Und ein wenig gehört es ja nun auch schon zu ihnen. Für die schüchternen oder etwas ängstlichen Kinder kann es anfangs auch schwierig werden. Sie müssen sich einen neuen Platz in der Klassengemeinschaft erobern. Die Lehrer können nicht mehr so sehr wie in der Grundschule auf die Eigenarten jedes einzelnen Kindes eingehen. Gerade am Gymnasium werden die Noten vielleicht nicht mehr ganz so gut sein wie an der Grundschule. Die Anforderungen sind nun erheblich höher. Kinder, die immer gute bis sehr gute Noten hatten, können frustriert sein, wenn an der neuen Schule eine Arbeit auch mal mit der Note Vier bewertet wird. Was können Sie als Eltern tun? Bereiten Sie Ihr Kind auf den neuen Schulabschnitt vor und sprechen Sie mit ihm darüber, was es zu erwarten hat. Machen Sie ihm Mut. Nicht nur die Anforderungen steigen, auch Ihr Kind entwickelt sich und wächst in seine neuen Aufgaben hinein. Zeigen Sie Interesse. Hören Sie zu, was Ihr Kind Ihnen aus der Schule erzählt. Besuchen Sie die Elternabende und halten Sie Kontakt zu den Lehrkräften Ihres Kindes. Haben Sie Geduld. Vielleicht klappt der Übertritt Ihres Kindes auf die von Ihnen bevorzugte Schulart nicht auf Anhieb reibungslos. Setzen Sie Ihr Kind nicht unter Druck, wenn es sich anfangs etwas schwertut. Bleiben Sie gelassen und überlegen Sie sich, wie Sie es unterstützen können. 9

Schläge bewirken keine Einsicht! Strafe oder Konsequenz? Ihr Kind ist jetzt in einer Lebensphase, in der es viele neue Erfahrungen macht. In solchen Zeiten testen Kinder gerne und oft ihre Grenzen aus. Und das nicht ohne Grund: Vielleicht ist es ja auch wirklich an der Zeit, sich über die eine oder andere Regel Gedanken zu machen und alte Grenzen neu festzulegen. Manche Regeln und Grenzen werden Sie sicher beibehalten: Dass die Schularbeiten gemacht werden etwa oder dass die Mithilfe im Haushalt nicht verhandelbar ist. Was aber geschieht, wenn Ihr Kind sich gegen Regeln auflehnt oder sie schlichtweg ignoriert? Braucht es da nicht Konsequenzen? Und wie sollen die aussehen? Körperliche Strafen verbieten sich auf jeden Fall von selbst. Ohrfeigen, Klapse oder Schläge haben noch aus keinem Kind einen besseren Menschen gemacht. Sie bewirken höchstens eine Art Anpassung ohne Einsicht. Im schlimmsten Fall erzeugen sie beim Kind Aggression oder Einschüchterung. Psychische Strafen wie Liebesentzug, Schreien und Weinen belasten Kinder über die Maßen. Sie führen nicht – ebenso wenig wie Schläge – dazu, dass ein Kind seine Fehler einsieht und Grenzen akzeptieren lernt. Geben Sie Orientierung. Um Grenzen einhalten zu können, muss ein Kind wissen, wo diese liegen. Sie sollten also für alle klar festgelegt sein. Was das betrifft, gibt es nicht selten Missverständnisse zwischen Eltern und Kindern. Ihrem Kind sollte klar sein, dass sein Verhalten Konsequenzen hat. Diese Konsequenzen sollten angemessen sein. Bei kleinen Regelverletzungen gleich mit Verboten zu reagieren, wäre völlig übertrieben. Auch ein überschaubarer Zeitraum, in dem diese Konsequenzen gelten, ist wichtig. Idealerweise haben die Konsequenzen direkt etwas mit der Regelverletzung zu tun. Man spricht von „logischen Konsequenzen“. Wenn Sie zum Beispiel durch die Schlamperei Ihres Kindes länger zum Aufräumen brauchen, könnte Ihr Kind dies wiedergutmachen, indem es in dieser Zeit bei der Hausarbeit hilft. 10

Nicht zu viel herumreden, handeln! Reden ist Silber, Handeln ist Gold: In vielen Familien wird so viel geredet, ermahnt und Strafe angedroht, dass die Kinder oftmals einfach auf „Durchzug“ schalten – weil sie wissen, dass die Konsequenzen meist ausbleiben. Verhängen Sie keine Strafen, die Sie nicht durchhalten können. Ein totales Computeroder Smartphoneverbot oder ein mehrtägiger Hausarrest ist von Eltern meist gar nicht zu kontrollieren und wird dann einfach stillschweigend abgebrochen – eine fatale Botschaft an Ihr Kind. Verhängen Sie aber auch keine Strafen, die Ihr Kind nicht durchhalten kann. Es wird es nicht schaffen, täglich vier Stunden zu lernen oder eine Woche lang allein in seinem Zimmer zu sitzen, wenn die restliche Familie vergnügt fernsieht. Wenn Sie von Ihrem Kind Dinge verlangen, die es einfach nicht durchhalten kann, besteht die Gefahr, dass es dann massiv rebelliert und die Sache eskaliert. Zeigen Sie als Eltern Einigkeit. Das heißt, dass Sie sich miteinander absprechen müssen. Einigen Sie sich auf Konsequenzen, die Sie beide mittragen können. Wenn der eine eine Konsequenz ausspricht, die der andere wieder aufhebt, ist nichts gewonnen. Im Gegenteil: Warum sollte Ihr Kind das nächste Mal noch ernst nehmen, was Sie sagen! © Momentmal / Pixabay.com 11

Zeigen Sie Ihrem Kind, dass seine Fehler nichts an Ihrer Liebe ändern. © congerdesign / Pixabay.com Wenn Ihr Kind nun wirklich etwas „verbockt“ hat und Sie Konsequenzen einfordern, verursacht das natürlich erst einmal schlechte Stimmung in der Familie. Ihr Kind wird Sie zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt besonders toll finden. Nehmen Sie es mit Gelassenheit. Wenn man Kinder erzieht, kann man bei ihnen nicht immer und zu jedem Zeitpunkt beliebt sein. Im Gegenteil, wenn Eltern zu sehr auf die Zuneigung ihrer Kinder angewiesen sind, wird es schwer, ihnen Grenzen und auch die damit verbundene Geborgenheit zu vermitteln. Ihr Kind muss sich auch einmal an Ihnen reiben können. Sie sollten bei solchenGelegenheiten Ihrem Kind auch klarmachen, dass es von Ihnen grundsätzlich und bedingungslos geliebt wird. Auch wenn es Fehler macht, auch wenn es sich gegen Sie stellt, es ist Ihr Kind. Sein Verhalten aber müssen Sie deshalb noch lange nicht hinnehmen. Ihr Kind kann das noch nicht so trennen. Es darf ruhig wütend auf Sie sein. Nach einer gewissen Zeit wird es sich wieder beruhigen. Gehen Sie auf Ihr Kind zu und nehmen Sie es in den Arm. Bieten Sie Ihrem Kind bei aller Auseinandersetzung eine stabile Beziehung. Aber bleiben Sie bei Ihren Konsequenzen. 12

Die neue Wohnung ist oft recht klein. Einmal Papa, einmal Mama Viele getrennt lebende Väter und Mütter können ihre Kinder hauptsächlich nur am Wochenende sehen. Sei es, weil sie beruflich viel unterwegs sind, oder weil sie weiter entfernt wohnen. Doch selbst wenn sie auch während der Woche Zeit mit den Kindern verbringen, kann ein gemeinsames Wochenende mit ihnen zur echten Herausforderung werden. Was das Besuchswochenende für Ihr Kind bedeutet: Ihr Kind muss aus seiner gewohnten Umgebung heraus in ein weniger vertrautes Umfeld wechseln. Spiele, Kleidung, was immer es bei Papa oder Mama braucht, muss es mitnehmen – besonders dann, wenn die Trennung der Eltern noch nicht lange zurückliegt. Die neue Wohnung des getrennt lebenden Elternteils ist meist kleiner, und ein eigenes Zimmer für das Kind oder mehrere Kinder ist eher die Ausnahme. Aber trotz einiger Schwierigkeiten sind die meisten Kinder doch sehr gern übers Wochenende dort. Papa oder Mama fehlen ihnen im Alltag und sie freuen sich einfach, mit ihm oder ihr zusammen sein zu können. Dass der Kontakt oft etwas außerhalb des Alltags stattfindet, gibt dem Ganzen auch einen gewissen Reiz, es ist vergleichbar mit Ferien. Eltern, die ihre Kinder nicht täglich um sich haben, unternehmen meist mehr mit ihnen. Der Kontakt ist oft recht intensiv, beide Seiten haben viel nachzuholen. Was das Besuchswochenende für den getrennt lebenden Elternteil bedeutet: Auch Sie freuen sich bestimmt auf die Wochenenden mit den Kindern. Und doch können solche Tage recht anstrengend für Sie sein. Als jemand, der seinen Alltag während der Woche eher ohne Kinder verbringt, fehlt es Ihnen vielleicht manchmal an der nötigen „Infrastruktur“, die in einem Haushalt mit Kindern normal ist: Ihrem Kind ist schlecht und Sie haben keinen Zwieback im Haus, es hat seine Jeans bekleckert und hat nichts zum Wechseln dabei, oder es fehlen für beide die Rückzugsmöglichkeiten, wenn Sie in einer Singlewohnung zusammen sind. 13

Sie müssen nicht ständig etwas unternehmen. Seien Sie einfach zusammen. Ein Wochenende mit einem oder mehreren Kindern will gut gestaltet sein. Was nicht bedeuten soll, dass ein Highlight das andere jagen soll. Sie und Ihre Kinder müssen auch einmal zur Ruhe kommen. Ideal ist eine ausgewogene Mischung zwischen Alltag und Unternehmungen. So können Sie mit Ihren Kindern gemeinsam kochen und hinterher auch den Abwasch machen. Und anschließend einen Ausflug unternehmen. Wenn Sie mehrere Kinder haben, achten Sie darauf, dass für jede Altersstufe etwas dabei ist und nicht nur die Interessen der Jüngsten oder des Ältesten zum Zuge kommen. Was das Besuchswochenende für den Elternteil bedeutet, bei dem die Kinder leben: Wenn die Kinder ein Wochenende beim Ex-Partner verbringen, bietet sich für gestresste Alleinerziehende die Gelegenheit zum Ausspannen oder für Unternehmungen. Sie sind ja während der Woche oft mit Arbeit überlastet und auch abends sehr angebunden. Manche Mütter oder Väter können diese neue Freiheit aber gar nicht recht genießen. Statt sich zu verabreden, räumen sie die Wohnung auf oder sehen fern. Nach einer Trennung muss man lernen, gut für sich zu sorgen, sich zu erlauben, auch ohne seine Kinder Spaß zu haben. Gerade wenn die Trennung noch nicht so lange zurückliegt, ist es schwer, die Kinder loszulassen – auch nur für ein Wochenende. Sie beim früheren Partner zu wissen, tut weh und beunruhigt viele. Wenn die Kinder nach diesen Wochenenden wieder nach Hause kommen, sind sie oftmals recht unausgeglichen. Das ist normal, aber für viele Mütter oder Väter ist es die scheinbare Bestätigung, dass die Kinder beim Ex-Partner nicht gut aufgehoben sind. Auch begeisterte Erzählungen über das tolle gemeinsame Wochenende erzeugen oft gemischte Gefühle. Der Umgang mit beiden Eltern ist wichtig: Allen meist nur anfänglichen Problemen zum Trotz, lassen Sie sich nicht entmutigen. Ihr Kind braucht Sie beide. Was können Sie tun, damit die Umgangswochenenden für alle Beteiligten ein Gewinn sind? Treffen Sie als Eltern genaue Absprachen. Termine, die Art, wann und wo die Kinder gebracht oder abgeholt werden, all das muss geklärt sein, wenn Sie Ärger vermeiden wollen. 14

Versu chen Sie nicht, schlecht dastehen zu den Ex-Par tner lassen. Planen Sie beide vor, wenn Sie die Kinder am Wochenende bei sich haben. Was gibt es zu essen, was wollen Sie unternehmen, sollen die Kinder Spiele von daheim mitbringen oder vielleicht die Fahrräder? Sorgen Sie dafür, dass die Kinder sich bei beiden Eltern zu Hause fühlen. Eine Zahnbürste, ein paar Kleidungsstücke zum Wechseln, das eine oder andere Spiel können ruhig in der neuen Wohnung bleiben, damit nicht alles hin- und hergeschleppt werden muss. Auch wenn es vielleicht eng ist: Ein eigener Schlafplatz sollte für jedes Kind geschaffen werden. Eine eigene Schublade für seine Habseligkeiten trägt auch dazu bei, dass sich ein Kind wohlfühlt. Sie müssen Ihren Kindern gar nichts „bieten“. Schenken Sie ihnen Ihre Zeit, unternehmen Sie etwas mit ihnen, seien Sie einfach für sie da. Teure Geschenke und Unternehmungen müssen nicht sein. Sie verärgern damit nur den Elternteil, der den Alltag mit den Kindern verbringt und sich solche Ausgaben vielleicht gar nicht leisten kann. Als der Elternteil, der während der Woche die Kinder bei sich hat, sollten Sie an den kinderfreien Wochenenden gut für sich sorgen. Planen Sie Unternehmungen, Kontakte mit anderen Menschen und Phasen der Entspannung für sich ein. Verabschieden und empfangen Sie Ihre Kinder herzlich und so fröhlich wie möglich. Freuen Sie sich mit ihnen, wenn sie mit ihrem Papa, ihrer Mama etwas Schönes erlebt haben. Werten Sie Geschenke des anderen Elternteils nicht vor den Kindern ab, suchen Sie aber das direkte Gespräch, wenn Sie etwas unangemessen finden. Behalten Sie Ihre Kinder im Blick! Sorgen Sie dafür, dass der Kontakt zum anderen Elternteil keinesfalls einschläft. Jetzt können Sie Ihr Kind noch gut motivieren, die Wochenenden dort zu verbringen. Als Jugendliche hängen sie dann doch viel mehr an ihrer gewohnten Umgebung und an ihren Freunden. Die gute Beziehung, die beide Eltern zu den Kindern haben, soll weiter bestehen und in den kommenden schwierigen Jahren eine wichtige Stütze sein. 15

B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim Online-Ratgeber „BAER“, www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Medienerziehung Weiter informierieren wir Sie in unseren Medienbriefen auf www.baer.bayern.de/medienbriefe rund um das Thema Medienerziehung. Erziehungsberatung Wenn Sie in der Pubertät massive Probleme mit Ihrem Kind erleben, wenden Sie sich an eine der Erziehungs- oder Familienberatungsstellen, www.erziehungsberatung.bayern.de, und psychologischen Beratungsstellen, www.lag-bayern.de/erziehungsberatung. Hier finden Sie kostenlos Unterstützung. Die Mitarbeitenden stehen unter Schweigepflicht. Rufen Sie an und vereinbaren einen Termin. Die Adressen finden Sie im Telefonbuch oder im Internet. Eine regionale Übersicht finden Sie unter Auch Ihr zuständiges Jugendamt kann Ihnen bei der Suche nach Beratung weiterhelfen. Im nächsten Elternbrief: – Was Ihr Kind jetzt braucht: Privatsphäre – Rund um die Schule: Die Mittelschule – Keine Lust zum Lernen? – Das geht euch nichts an! – Rivalität unter Geschwistern – Starkult im Kinderzimmer – Was liest du denn da? Die Elternbriefe werden gefördert durch: 36 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202136

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