Elternbrief Nr. 46

• • • • Ihr Kind „spinnt“ nicht, es ruft nach Hilfe! Was ist eigentlich „Ritzen“? Ritzen ist besonders bei Jugendlichen und jungen Menschen ein häufig beobachtetes Phänomen. Von „Ritzen“ spricht man, wenn Jugendliche sich Selbstverletzungen mittels Rasierklingen, Messern, Scheren, Nadeln und Ähnlichem zufügen. Die Haut wird aufgeritzt oder aufgeschnitten, bis Blut austritt bzw. eine Wunde klafft. Die Narben werden meist verdeckt, manchmal auch immer wieder aufgeritzt, bis schwere Entzündungen und Hautkrankheiten entstehen. Medizin und Psychologie sehen im Ritzen keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom für schwere seelische Belastungen. Oft sind unerträgliche innere Leere, Spannungszustände, Trauer oder (Selbst-)Hass Ursache für das selbstverletzende Verhalten. Es beginnt meist im Zusammenhang mit der Pubertät und kann bis ins Erwachsenenalter andauern. Betroffen sind hauptsächlich Mädchen. Ritzen ist ein Hilferuf, hinter dem sich auch traumatische Erfahrungen wie sexueller Missbrauch oder körperliche und seelische Gewalt verbergen können. Jugendliche, die sich selbst verletzen, fühlen sich in irgendeiner Weise vernachlässigt. Sie vermissen Zuwendung und Wertschätzung in ihrem Umfeld, bei Familie und Freunden. Sie erleben sich als Versager und bestrafen sich (teils unbewusst) dafür. Manche erzählen auch, dass sie sich erst durch die Schmerzen selbst wieder spüren können. Oft dauert es eine ganze Weile, bis Eltern das selbstverletzende Verhalten ihres Kindes bemerken. Wenn Sie herausfinden, dass Ihr Kind daran leidet, sind Sie sicherlich sehr bestürzt. Sie fühlen sich hilflos und haben Angst. Reagieren Sie nicht mit Panik, Vorwürfen oder Drohungen, sondern zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie es ernst nehmen, sich sorgen und ihm helfen wollen. Bewerten Sie das Verhalten Ihres Kindes nicht als „verrückt“ oder „krank“, sondern versuchen Sie zu verstehen, wie es dazu kommen konnte. Wenn Ihr Kind abblockt und jegliches Gespräch verweigert, schreiben Sie ihm einen Brief, in dem Sie Ihr Interesse und Ihre Zuwendung zusichern. Fragen Sie Ihr Kind, was Sie persönlich ändern können, damit sich etwas bessert. 14

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