Elternbrief Nr. 41

3 „Lass mich in Ruhe!“ Von fröhlich bis wütend in fünf Sekunden. B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Briefe 41 INHALT 12 Jahre 6 Monate Das Leben ist eine Achterbahn Die Pubertät ist eine schwierige Zeit. Die Kinder sind oft unausgeglichen, manchmal gar unausstehlich. Doch da- hinter steckt keine böse Absicht – sie können nicht anders. Ihre Seele fährt Achterbahn. Sie müssen sich in ihrem sich verändernden Körper erst zurechtfinden und ihr Seelen- leben neu sortieren. Akzeptieren Sie Ihr veränder- tes Kind. Nehmen Sie es nicht persönlich, wenn Sie wieder einmal mit einem Wutanfall konfrontiert sind. Denken Sie um! Räumen Sie mehr Freiheiten ein, übergeben Sie Ihrem Kind mehr Verantwortung und vor allem: Nehmen Sie es ernst! Dass Heranwachsende in der ternbrief 40). Fakt ist, dass Kinder 1 Extreme Gefühle 4 Schönheit ist alles 6 „Unser Sohn ist ein Macho!“ 8 Hauptsache, anders 10 Getrennte Kinderzimmer 12 Mobbing ist kein Spaß 14 „Unser Kind isst nichts mehr!“ Pubertät seltsam werden, weiß jeder, aber warum sie sich so verhalten, ist nicht jedem bewusst. Wissenschaftler sagen, es liege einerseits an den Hormonen, andererseits an folgenschweren „Umbauarbeiten“ im Gehirn (siehe Elzwischen 11 und 15 Jahren unter extremen Gefühlsschwankungen zu leiden haben. Mal sind sie euphorisch und aufgedreht, mal ziehen sie sich bedrückt zurück und lassen niemanden mehr an sich heran. Wutausbrüche oder Ge-

• • • • • • • Nur nicht aufregen! nervtsein sind ebenso an der Tagesordnung wie kindlich ausgelassenes Herumalbern. Verlassen kann man sich auf nichts: Wenn Ihr Kind am Morgen gut gelaunt das Haus verlässt, heißt das noch lange nicht, dass es am Nachmittag auch gut gelaunt wieder heimkommt. Dieses Wechselbad der Gefühle kann für die restliche Familie ziemlich anstrengend sein. Wie können Sie als Eltern am besten reagieren, wenn Ihr Kind unter extremen Stimmungsschwankungen leidet? Möglichst gelassen bleiben. Nichts persönlich nehmen. Ihr Kind in Ruhe lassen. Kleinere Geschwister aus der Situation herausnehmen. Hilfe anbieten, aber nicht aufzwingen. Vertrauen haben. Ihre Zuneigung versichern, aber nicht aufdrängen. © Free-Photos / Pixabay.com Wenn sich dann die emotionalen Wogen bei Ihrem Kind vorerst wieder etwas geglättet haben und die Achterbahnfahrt der Seele eine kleine Pause macht, dann sprechen Sie ganz in Ruhe und ohne Vorwürfe mit ihm. Erzählen Sie von sich als Kind, davon, wie Sie selbst Ihre Pubertät erlebt und wie Ihre eigenen Eltern damals auf Sie reagiert haben. Ihr Kind wird Ihnen für diese Einblicke dankbar sein und sich besser verstanden fühlen. 2

Bedrängen Sie Ihr Kind nicht und machen Sie keine Vorwür fe. „Lass mich in Ruhe!“ Neben den pubertierenden „Rumpelstilzchen“ gibt es auch die anderen Extreme: Kinder, die kaum mehr reden und sich vom Familienleben zurückziehen. Sie schlurfen morgens verschlafen in die Küche, stopfen wortlos ihr Pausenbrot in die Schultasche und ab geht’s in die Schule. Nachmittags spielt sich die gleiche Szene ab, nur in umgekehrter Richtung. Nach einem schweigsamen Mittag- oder Abendessen verschwindet der Nachwuchs dann grußlos in seinem Zimmer. Manche zwölf-, dreizehnjährigen Kinder sind von ihren körperlichen und seelischen Veränderungen so überfordert, dass sie nicht wissen, wohin mit ihren Ängsten und Nöten. Sie wissen nicht, was mit ihnen los ist, ziehen sich zurück und sind für niemanden zu sprechen. Jungen neigen dazu, sich am PC zu verkriechen und verbringen oft viele Stunden täglich mit Computerspielen. Mädchen spielen zwar weniger am Computer, aber auch sie können sich völlig zurückziehen. Sie liegen dann teilnahmslos auf ihrem Bett, hören Musik oder langweilen sich. Manche schreiben vielleicht Tagebuch, weil sie das Gefühl haben, dass dies die einzige Möglichkeit für sie ist, sich jemandem anzuvertrauen, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Wie geht man als Eltern mit einem verschlossenen Kind um? Gewähren Sie Ihrem Kind diesen Rückzug. Es durchlebt eine schwierige Phase und braucht einfach Zeit und Ruhe, um zu sich selbst zu finden. Aber verlieren Sie Ihr Kind nicht aus den Augen. Achten Sie auf Ihren Sohn oder Ihre Tochter, beobachten Sie und gehen Sie nach einer Weile vorsichtig auf ihn oder sie zu. Wenn Sie selbst nicht an Ihr Kind herankommen, können Sie auch einen Freund oder die Patentante einschalten. Vielleicht findet eine außenstehende Person leichter wieder Zugang zu Ihrem Kind. Denn so sehr Ihr Kind seine Zurückgezogenheit im Moment auch braucht, so sehr braucht es auch die Sicherheit, dass Sie als Eltern, als Familie trotzdem immer sein Rückhalt sind. 3

Die Frage nach der Wirkung „Bin ich schön genug?“ auf andere gewinnt immer mehr an Bedeutung. Schönheit ist alles Ihr Sohn föhnt sich seinen Pony schräg ins Gesicht, sodass er kaum noch hindurchschauen kann, Ihre Tochter blockiert für Stunden das Badezimmer und gibt ihr ganzes Taschengeld für Schönheitsartikel und Kleidung aus: Für Heranwachsende ist das Aussehen einfach sehr wichtig. Nur für einen geringen Prozentsatz der Jugendlichen hat das Äußere wenig Bedeutung. Umfragen belegen, dass sich zwei Drittel der Mädchen und mehr als die Hälfte der Jungen gerne „stylen“. Warum ist das so? Heranwachsende müssen in ihre Identität als Mann oder als Frau hineinfinden. Waren sie gestern noch Kinder, so machen sie jetzt schon die ersten Schritte hinein ins Erwachsenenleben. Gerade Mädchen bemerken, dass sie, je nachdem, wie weit sie in ihrer körperlichen Entwicklung fortgeschritten sind, durchaus Blicke auf sich ziehen. 4

wusster. Ihre Liebe macht Ihr Kind selbstbeAllerdings geht es nicht nur darum, sich gut darzustellen und die eigene Schönheit zu betonen. Viele Anstrengungen werden auch unternommen, um vermeintliche Makel zu kaschieren. Im Vergleich mit den prominenten Schönheiten, mit Popsängerinnen oder Models aus Castingshows finden sich junge Mädchen oft nicht schön genug. Die Oberschenkel scheinen zu dick, das Gesicht zu rund, die Augen zu klein und die Haare zu dünn. Entsprechend wird geschminkt, kaschiert und gehungert. Aber auch das Selbstwertgefühl von Jungen steht in dieser Zeit auf wackeligen Beinen. Während die gleichaltrigen Mädchen jetzt oft schon sehr attraktiv und erwachsen wirken, sind viele der Jungen noch recht kindlich. Für sie sind Größe, muskulöse Oberarme und Bartwuchs heiß ersehnte Zeichen des Erwachsenwerdens. Mehr noch als die Mädchen versuchen sie, mit Markenkleidung auf andere Eindruck zu machen und möglichst erwachsen und cool zu wirken. Einer in Deutschland durchgeführten Studie zufolge hat das Elternhaus viel Einfluss auf die Einstellung der Jugendlichen zu ihrem Körper. Mädchen und Jungen, die sich mit ihren Eltern gut verstehen, die sich zu Hause akzeptiert fühlen und eine gute Vertrauensbasis zu den Eltern haben, fühlen sich auch deutlich wohler mit ihrem eigenen Aussehen. Geben Sie Ihren Kindern also das Gefühl, dass Sie sie lieben und wertschätzen, und zwar unabhängig von ihrem Aussehen, ihrem Erfolg oder ihrer Leistung. Dann werden sie sich vielleicht immer noch die Nägel pink lackieren oder die Haare mit Gel aufstylen, um mit den Gleichaltrigen mithalten zu können. Aber tief in ihrem Inneren wissen sie, dass diese Dinge nicht so wichtig sind, wie sie manchmal scheinen, und dass es in ihrem Leben Wichtigeres gibt als Schönheit und Coolness. 5

• Die supermännliche Tour wird als erstes ausprobier t . „Unser Sohn ist ein Macho!“ Zeigt Ihr Sohn manchmal Verhaltensweisen, die sich mit dem Wort „Machogehabe“ beschreiben lassen? Benimmt er sich betont männlich und versucht, auf „die Weiber“ herabzusehen? Gut möglich, dass ein knapp Dreizehnjähriger dabei auch mal übers Ziel hinausschießt. In diesem Alter ist Machogehabe – zumindest innerhalb der Familie – nichts Besorgniserregendes. Es geht allenfalls den anderen Familienmitgliedern auf die Nerven. Trotzdem werden sich Eltern, die zum Beispiel beide berufstätig sind, die sich die Hausarbeit teilen und auch alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam treffen, vielleicht fragen: Wie kommt mein Sohn zu diesem veralteten Männerbild? Und auch eine selbstbewusste, alleinerziehende Mutter wird ihren Kopf schütteln: Ist sie nicht der Inbegriff einer starken Frau, die oft mehr leisten muss als jeder Mann? Die Medien vermitteln allerdings oft ein anderes Bild: Nimmt man beispielsweise die Hip-HopVideos, die auf MTV oder im Internet laufen, so sieht man muskulöse Männer mit großen Autos, auffallendem Schmuck und offenbar viel Geld. Sie werden umtanzt von hübschen, leicht bekleideten Mädchen, deren einzige Aufgabe es ist, schön und sexy zu sein und die Männer zu bewundern. Für einen Jugendlichen, der in seiner eigenen Geschlechterrolle noch unsicher ist, sind solche Klischees attraktiv. Die Wirklichkeit sieht natürlich anders aus. Da stößt der Nachwuchs-Macho an seine Grenzen: In der Schule zum Beispiel ist mit coolem Gehabe allein wenig auszurichten. Und moderne junge Mädchen fallen einem auch nicht gleich begeistert um den Hals, wenn man Sprüche klopft. Was brauchen also junge Männer, um in eine realistische Rolle als Mann hineinzufinden? Moderne Männer: der Vater, der Lehrer oder auch der Sport - trainer. Wichtig sind Männer, die auch von den Jugendlichen anerkannt werden und mit denen ein normaler, unverkrampfter Umgang möglich ist. Männer, die Gefühle zeigen, mit denen man reden kann, die im Leben stehen und die Frauen nicht als Dienstboten, sondern 6

Leben sie vor, dass Frauen keine naiven Mäuschen sind . • • • als gleichberechtigte Partnerinnen ansehen. Starke Frauen: Mütter, Lehrerinnen, Schwestern – also Frauen, die mit den Klischeefrauen aus den Medien nichts gemeinsam haben und einfach als Menschen erlebt werden. Frauen, die eine Aufgabe haben, die ihre Meinung vertreten und sich von überheblichem Gehabe nicht beeindrucken lassen. Grenzen: Die jungen „Machos im Anfangsstadium“ brauchen klare Grenzen. Frauen abzuwerten oder mit sexistischen Ausdrücken zu belegen, sollte tabu sein und auch entsprechende Konsequenzen haben. Auch eine gerechte Arbeitsteilung in der Familie ist wichtig. Es gibt bei der Hausarbeit keinen „Weiberkram“. Gespräche: Hinterfragen Sie in der Familie ruhig immer wieder einmal die Werte, die von den Medien vermittelt werden. Reden Sie mit Ihren Kindern darüber, was es heißt, ein Mann oder eine Frau zu sein, und sprechen Sie auch über Beziehungen und Sexualität. Im Schutz der von Ihnen gesetzten Grenzen kann Ihr Sohn seine Identität als Mann nach und nach entwickeln. Wenn er genug Sicherheit in seiner Rolle gefunden hat, kann er die „Machophase“ getrost hinter sich lassen. © LadyDIY / Pixabay.com 7

Muss das wirklich sein? Ja ! Hauptsache, anders Während sich ein Großteil der Heranwachsenden in Kleidung und Verhalten sehr an seiner Altersgruppe orientiert, gibt es immer auch die bunten Vögel, die irgendwie „anders“ sind. Sie sind durchaus sympathisch, vielleicht witzig, auf jeden Fall originell und stechen aus der Masse deutlich heraus. Die Tochter, die ihre wollene Lieblingsmütze nur zum Schlafen abnimmt oder der Sohn, der von Rastalocken träumt und immer nur mit Hosen auf Halbmast herumläuft, ist für viele Eltern eine kleine Herausforderung. So manche Eltern werden im Verlauf der Pubertät ihrer Kinder mit den gewagtesten Outfits konfrontiert: mit schrägen Farbkombinationen, abenteuerlichen Makeups, wildesten Frisuren, wechselnden Haarfarben – und die meisten versuchen, gelassen zu bleiben. Sie trösten sich damit, dass es in der Regel nur eine Phase ist, die vorübergeht. Einige Eltern machen sich jedoch auch Sorgen: Warum ist es für unser Kind so wichtig, „anders“ zu sein? Hat es mit seinem Aussehen nicht auch Nachteile in der Schule? Wird es vielleicht sogar von den Gleichaltrigen ausgegrenzt oder gemobbt, wenn es sich nicht anpasst? Sprechen Sie mit Ihrem Kind. Versuchen Sie, etwas über die Gründe zu erfahren, warum es sich nach außen hin gerne so präsentiert. Dazu müssen Sie sein Aussehen auch gar nicht infrage stellen. Versuchen Sie lieber, etwas über sein Weltbild zu erfahren, darüber, womit es sich beschäftigt, was ihm gefällt und womit es Probleme hat. Jugendliche, die sich sehr ungewöhnlich kleiden, verbinden damit oft auch eine Botschaft. Sie wollen zum Beispiel keinesfalls wie alle anderen sein. Sie orientieren sich vielleicht an einer Jugendbewegung oder einer Band, die sich einem bestimmten Stil verschrieben hat. Versuchen Sie als Eltern, diese Botschaft zu hören, auch wenn sie Ihnen vielleicht unausgegoren erscheint. Ihrem Kind ist sie wichtig. 8

Dru ck hilft wie immer nichts! © Victoria Borodinova / Pixabay.com Erfahrungsgemäß macht es wenig Sinn, Kinder mit Druck zu einem „normaleren“ Aussehen zu zwingen. Das führt meist zu heftigen Konflikten. Ihr Kind fühlt sich bevormundet und unverstanden. Es hat das Gefühl, dass es so, wie es ist, nicht respektiert und geliebt wird. Vielleicht können Sie an der einen oder anderen Stelle mäßigend eingreifen. Erklären Sie Ihrem Kind, dass Sie sich manchmal Sorgen machen, wie sein Aussehen wohl bei anderen ankommt. Und dass Sie beispielsweise nicht möchten, dass es in seinem abenteuerlichen Outfit und mit seinen schrillen Haarsträhnen zur Schule geht. Handeln Sie Kompromisse aus, mit denen beide Parteien, Sie und Ihr Kind, leben können. Versuchen Sie als Eltern auch einmal, nicht nur die Nachteile oder Probleme zu sehen, die Ihre Tochter oder Ihr Sohn vielleicht haben könnten. Ihre Tochter hat ihren eigenen Kopf, Ihr Sohn ist kein Mitläufer. Ihr Kind ist etwas Besonderes. Und darauf können Sie ruhig ein wenig stolz sein. 9

Raus mit altem Kinderkram. Getrennte Kinderzimmer Sie haben mehrere Kinder, die sich seit Jahren ein Zimmer teilen? Kein Problem, solange die Kinder klein sind und der Altersunterschied nicht zu groß ist. Schwierig wird es allerdings mit Beginn der Pubertät. Da gehen die Interessen und Bedürfnisse der Geschwister doch sehr auseinander. Während sie vor ein paar Wochen noch einmütig miteinander gespielt haben, will der Große plötzlich nichts mehr vom kleinen Bruder wissen. Jetzt ist er lieber alleine oder trifft sich mit seinen Kumpels. Oder die große Schwester findet die Kleine extrem nervend. Sie zieht sich zurück und telefoniert lieber stundenlang mit ihren Freundinnen. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt für getrennte Kinderzimmer gekommen. Denn größere Kinder haben nicht nur andere Bedürfnisse, sondern auch ganz eigene Vorstellungen davon, wie ihr Zimmer aussehen soll. Sie verändern sich und das drückt sich auch in ihrer unmittelbaren Umgebung aus. Viele Kinder trennen sich jetzt von Spielsachen, räumen die Kindermöbel weg und streichen die Wände bunt. Nicht selten werden diese hinterher mit Postern ihrer Stars beklebt. Lassen Sie Ihren Sohn oder Ihre Tochter gewähren, wenn Sie genug Platz haben. Sie brauchen das jetzt. Mit der innerlichen Ver- © Victoria Borodinova / Pixabay.com 10

Eine Ausweichmöglichkeit täte jetzt gut . änderung ist es auch wichtig, äußere Zeichen zu setzen. Mit dem Umräumen oder Umziehen in ein eigenes Zimmer machen sie klar, dass sie jetzt groß sind und ihr eigenes Reich haben. Doch wenn Sie weder Geld noch Platz für getrennte Kinderzimmer haben, wird es schwierig. Vielleicht können Sie Ihr Elternschlafzimmer räumen und ein Schlafsofa ins Wohnzimmer stellen? Vielleicht ist das Kinderzimmer auch groß genug, um es in der Mitte abzutrennen? Man könnte dann zum Beispiel eine Trockenbauwand einziehen oder ein großes Regal als Raumteiler aufstellen. Wenn auch das nicht möglich ist, kann Ihr Kind vielleicht tagsüber in einen Hobbyraum etwa im Keller ausweichen, um ein bisschen Ruhe und Abgeschiedenheit zu finden. Vielleicht leben auch die Großeltern in der Nähe und können für Ihren Großen einen Raum zur Verfügung stellen, in den er sich zumindest zeitweise zurückziehen kann. Wenn Ihre Wohnung zu klein ist und Sie sich keine größere leisten können, wenden Sie sich an das Amt für Wohnungswesen Ihrer Stadt oder Ihres Landkreises. Hier gibt es preisgünstigen Wohnraum für Familien, die sich die Mieten auf dem freien Markt nicht leisten können. Allerdings müssen Sie damit rechnen, zunächst auf eine Warteliste gesetzt zu werden. Auch Wohnungsbaugenossenschaften bieten preiswert Wohnraum an, wenn man Genossenschaftsmitglied wird. Betreten verboten! Wahrscheinlich haben Sie auch bisher nicht unvermittelt das Zimmer Ihres Kindes betreten, sondern vorher angeklopft. Vielleicht haben Sie es jedoch auch hin und wieder vergessen. Das war beim kleineren Kind noch nicht so schlimm. Ein Heranwachsender dagegen kann es Ihnen richtig übel nehmen, wenn Sie so einfach in sein kleines Reich platzen. Auch wenn Ihr Kind telefoniert und Sie zufällig dazukommen, sollten Sie Respekt zeigen und wieder gehen, bis es das Gespräch beendet hat. Ihr Kind hat ein Recht auf Privatsphäre, das Sie auf jeden Fall respektieren sollten. Also nicht vergessen: immer anklopfen! 11

Wer nicht zur Gruppe passt, wird oftmals ausgegrenzt . Mobbing ist kein Spaß Schwierigkeiten mit den Mitschülern sind nichts Ungewöhnliches und doch für junge Menschen sehr belastend. Meistens sind sie selbst in der Lage, die Situation wieder in den Griff zu bekommen. Manchmal aber geraten sie in eine Außenseiterrolle, aus der sie aus eigener Kraft nur noch schwer herausfinden. Wenn sich eine Gruppe gegen einen Einzelnen zusammenschließt, ihn gezielt ärgert und ihn vor den anderen lächerlich macht, wenn der oder die Betroffene ausgeschlossen und unter Umständen auch geschubst, geschlagen oder auf andere Art misshandelt wird, dann spricht man von Mobbing. Mobbing trifft oft Heranwachsende, die auf irgendeine Art und Weise anders sind. Jugendliche, die kleiner oder weniger entwickelt sind als der Durchschnitt, die an Übergewicht leiden, besonders schüchtern oder ängstlich sind oder einfach nicht ins Schema der Gruppe passen. Auch sozial benachteiligte Jugendliche oder Jugendliche aus anderen Kulturkreisen werden leichter zu Opfern. Mobbing hat wenig mit dem Charakter des Opfers zu tun. Auch Täter verhalten sich in anderem Zusammenhang oft ganz normal und angepasst. Wie kommt es also zu solch einem Verhalten? Psychologen sehen Mobbing als Ausdruck eines Konkurrenzkampfes. Die Schule ist ein soziales System, in dem unter Gleichaltrigen starker Konkurrenzdruck herrscht. Aber auch Fußballvereine oder Mädchencliquen können Gruppen sein, in denen so starke Konkurrenz herrscht, dass daraus Mobbing entsteht. Woran können Eltern erkennen, dass ihr Kind in der Schule gemobbt wird? Kinder und Jugendliche, die in der Schule gemobbt werden, gehen natürlich ungern zum Unterricht. Manche haben regelrecht Angst, wenn sie am Morgen das Haus verlassen müssen. Entsprechend oft klagen sie über Bauchweh, Kopfschmerzen oder andere Beschwerden. Auch außerhalb der Schule sind Mobbingopfer meist wenig aktiv und ziehen sich eher von den Gleichaltrigen zurück. Ein Alarmsignal ist es, wenn ein Kind Verletzungen oder blaue Flecken hat, die sich nicht überzeugend erklären lassen. 12

• • • • Eine Einmischung muss gut überlegt sein. Sollen sich Eltern einmischen? Wenn die Kinder Opfer von Mobbing werden, leiden Eltern mit. Trotzdem hat es wenig Sinn, ja, ist sogar schädlich, sich allzu schnell in die Vorgänge einzumischen, etwa die Täter zur Rede zu stellen oder sich mit deren Eltern in Verbindung zu setzen. Das macht die Sache für das Opfer meist noch schlimmer. Wenn Ihr Kind jedoch körperlicher Gewalt oder auch seelischen Qualen ausgesetzt ist, müssen Sie natürlich handeln. Wenden Sie sich an die Schule, den Klassenlehrer, den Vertrauenslehrer oder die Schulpsychologin. An vielen Schulen arbeiten auch Sozialpädagogen, die sich mit diesem Thema auskennen und entsprechend gegensteuern können (siehe Elternbrief 42). So kann Ihr Kind sich wehren Cool bleiben. Kinder und Jugendliche, die von Gleichaltrigen verspottet werden, schämen sich oft und ziehen sich zurück. Besser ist es, standzuhalten und ruhig und gelassen zu antworten. Antworten zurechtlegen. Viele Hänseleien sind nicht gerade originell. Ihr Kind weiß, womit es am häufigsten geärgert wird. Für solche Angriffe kann es sich schon im Vorfeld die passenden Antworten ausdenken und dem Angreifer den Wind aus den Segeln nehmen. Verbündete suchen. Nicht jeder Schüler macht bei Mobbing mit. Wer verhält sich neutral? Wer ist vielleicht des Öfteren selbst in der Schusslinie? Mit solchen Mitschülern oder Mitschülerinnen sollte Ihr Kind das Gespräch suchen, sie vielleicht auch einmal zu sich einladen. Gemeinsam kann man sich besser wehren. Den „Chef“ und die Mitläufer ins Visier nehmen. Es kann sehr wirkungsvoll sein, den Anführer einer Gruppe gezielt anzusprechen oder ihm schlagfertig zu antworten. Auch die Mitläufer sollten in die Verantwortung genommen werden. Meist haben sie ohnehin ein schlechtes Gewissen und machen nur mit, um nicht selbst ausgegrenzt zu werden. Werden sie einzeln auf ihr Verhalten angesprochen, so tun sie sich oft schwer, Argumente dafür zu finden. Beim nächsten Mal werden sie sich vielleicht neutraler verhalten oder Ihrem Kind sogar zu Hilfe kommen. 13

Essstörungen können tödlich enden! • • • • • • • • „Unser Kind isst nichts mehr!“ Vielleicht legt Ihre Tochter oder auch Ihr Sohn in letzter Zeit extrem viel Wert auf eine schlanke Figur und achtet sehr auf die Ernährung. Das muss noch keine Essstörung sein. Vielleicht war Ihre Tochter in der Tat ein wenig mollig oder Ihr Sohn brachte ein paar Pfund zu viel auf die Waage. Allerdings sollten Sie als Eltern das Ernährungsverhalten Ihres Kindes jetzt nicht aus dem Blick verlieren. Diäten von Jugendlichen können auch aus dem Ruder laufen und in eine Magersucht münden. Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine psychische Störung, bei der die Betroffenen ihren Körper nicht mehr richtig wahrnehmen können. Egal, wie dünn sie sind, sie empfinden sich immer als zu dick. Die Betroffenen reduWarnzeichen für eine Essstörung das beständige Gefühl, zu dick zu sein mehrmaliges tägliches Wiegen Beschränkung auf kalorienarme Nahrung, oft auch Babynahrung Auslassen von Mahlzeiten sehr langsames Essen extrem viel Sport Verzicht auf jeglichen Genuss sozialer Rückzug zieren deshalb ihre Nahrungsaufnahme immer weiter und können dabei in ein lebensbedrohliches Untergewicht abrutschen. Doch ab wann kann man bei Jugendlichen überhaupt von Untergewicht sprechen? Die Grenzen dafür sind weit gefasst, weil man das Körpergewicht immer im Verhältnis zum Alter und der Körpergröße sehen muss – und dieses Verhältnis ändert sich in den Wachstumsphasen eines Kindes oft erheblich. Ob es Anlass zur Sorge gibt, müssen Arzt oder Ärztin beurteilen. Nicht jedes überzarte Wesen ist auch magersüchtig! Allerdings erkrankt jedes Jahr rund ein Prozent der Mädchen und Frauen an Magersucht – übrigens zwölfmal so viele wie Jungen. Die meisten Betroffenen verbergen ihren abgemagerten Körper sehr wirkungsvoll unter weiter Kleidung. Oft sind sie auch übermäßig warm angezogen, weil sie durch den Mangel an Kör14

In der Wachstumsphase ist eine ausgewogene Ernährung wichtig. perfett sehr leicht frieren. Meistens gibt es keine Krankheitseinsicht, es ist also schwer, betroffene Mädchen oder Jungen davon zu überzeugen, dass sie tatsächlich unter einer Essstörung leiden, die man behandeln muss. Erkrankte junge Menschen brauchen auf jeden Fall professionelle Hilfe – je früher, desto besser. Auch die Familien der Betroffenen brauchen Unterstützung dabei, wie sie mit der Krankheit am besten zurechtkommen und wie sie eine Genesung am wirkungsvollsten unterstützen können. Zögern Sie nicht, eine Behandlung in die Wege zu leiten. Magersucht kann schwerwiegende körperliche und psychische Folgen haben. Ein nicht geringer Prozentsatz der Erkrankten stirbt an den Folgen. © Bruno Glätsch / Pixabay.com 15

QimatePartner0 Drull< I D:lllllll-:1141ma-lmll 13 v,-in!!('.h $ Sr ~!$ i1'1 ll,i ~ enu ,,, rur 1111i h I Arl I vnr l S~ i.1 1 • --- jJ FSC www.tsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC• C108626 B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim Online-Ratgeber „BAER“, www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Erziehungsfragen / Mobbing Erziehungs-, Familien- oder psychologische Beratungsstellen gibt es in nahezu jeder Stadt. Eine regionale Übersicht finden Sie unter: www.erziehungsberatung.bayern.de sowie auf www.lag-bayern.de/ erziehungsberatung, der Webseite der Landesarbeitsgemeinschaft. Auch Ihr zuständiges Jugendamt hilft gerne weiter. Sozialer Wohnungsbau Über Sozial- oder Genossenschaftswohnungen informiert Sie Ihre Gemeinde oder Stadtverwaltung. Adressen finden Sie auch im Internet oder Telefonbuch. Essstörungen Anlaufstellen sind Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Kinder- und Jugendpsychotherapeutinnen und -therapeuten. Weitere Informationen gibt auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: www.bzga-essstorerungen.de (BZgA). Im nächsten Elternbrief: – Die Clique – Computerspiele – Was ist eine LAN-Party? – Computersüchtig? – Sexy mit 13? – Rund um die Schule: Jugendsozialarbeit an Schulen – Junge Raucher – Jetzt schon Alkohol? Die Elternbriefe werden gefördert durch: 41 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202141

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