Elternbrief Nr. 38

- - - - Fehler sind nicht immer zu vermeiden. 38 Briefe B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T INHALT Alter: 11 Jahre 1 Fehler korrigieren erlaubt! 3 Wie entschuldigt man sich richtig? 4 Die Realschule 6 Falsche Schulwahl 8 Der neue Schulweg 10 Die Daily Soap 12 Popstar oder Topmodel? 14 Wenn Menschen sterben... Nichts passt mehr zusammen Ihr Kind verändert sich, körperlich und seelisch. Es schießt in die Höhe, seine Proportionen ändern sich, der ganze Körper ist im Umbau. Es weiß nicht, wohin mit seinen langen Ar- men, und fällt ständig über seine Füße. Nichts scheint mehr zusammen- zupassen. Auch seelisch ist bei vielen Kindern schon einiges los. Mal fühlt sich Ihre Tochter schon als Teenager, dann ist sie wieder klein und möchte kuscheln. Ihr Sohn, der bisher noch auf Bäume kletterte und gern Unsinn anstellte, ist jetzt viel- leicht öfters in sich gekehrt und zurückgezogen. Diese Ent wicklung ist normal – die Pubertät bahnt sich an. Nicht über Nacht, sondern ganz allmählich. Seien Sie bereit. Fehler sind menschlich. Auch und gerade in der Erziehung. Wer hat seinem Kind denn noch niemals unrecht getan? Wer hat noch nie überzogen reagiert, wenn das eigene Kind einmal zu frech war, Unsinn gemacht oder eine schlechte Note nach Hause gebracht hat? Wer war noch nie unaufmerksam, aufbrausend oder ungerecht? Fehler passieren. Nicht jeden Tag, aber doch gelegentlich. Und auch die besten Eltern haben mal einen schlech-

ohr feigen Sie Ihr Schlagen oder Kind niemals! ten Tag. Kann man das wieder geradebiegen? Sollte man sich bei seinem Kind entschuldigen? Verliert es nicht den Respekt vor seinen Eltern, wenn sie zugeben, dass sie etwas falsch gemacht haben? Wenn Sie Ihrem Kind gegenüber ungerecht waren oder wenn Sie es angeschrien haben, dann sollten Sie sich auf jeden Fall dafür entschuldigen. Seinen Fehler einzusehen und zu versuchen, ihn wiedergutzumachen, ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil. Es gehört sogar eine Menge Mut dazu, zu seinem Kind zu sagen: „Es tut mir leid. Es soll nicht wieder vorkommen. Bitte verzeih mir.“ Wichtig ist natürlich, dass Sie Ihre Entschuldigung ehrlich meinen. Noch wichtiger aber ist, dass Sie versuchen, es künftig anders zu machen. Immer wieder passiert es Eltern, dass ihnen „die Hand ausrutscht“. Das ist aber eine erzieherische Bankrotterklärung und kann durch eine Entschuldigung kaum wieder gutgemacht werden. Besser ist es zu erkennen, warum man sich so hilf- und sprachlos fühlt. Auf jeden Fall sollten Sie versuchen, das eigene Verhalten zu ändern und nicht mehr zuzuschlagen. Lernen Sie aus Ihren Fehlern. Überlegen Sie, woran es gelegen hat, dass Sie so und nicht anders reagiert haben. Sind Sie mit der Erziehung möglicherweise überfordert? Gibt es Probleme in Ihrer Partnerschaft, die Sie besonders belasten? Haben Sie berufliche Schwierigkeiten, finanzielle Sorgen? Oder ist die Beziehung zu Ihrem Kind so schwierig, dass sein Verhalten Sie immer wieder zur Weißglut bringt? Wenn das so ist, suchen Sie sich Hilfe. Wie immer Ihr Problem aussehen mag, es gibt Menschen, die Ihnen weiterhelfen können: bei der Erziehungs-, Familien- oder auch Schuldnerberatung. Nutzen Sie die kostenlosen Hilfsangebote des Staates, der Kirchen oder Wohlfahrtsverbände. © Ulrike Mai / Pixabay.com 2

Ver teidigen Sie Ihre Überreaktion nicht . Wie entschuldigt man sich richtig? In einer Familie kann es immer einmal vorkommen, dass man sich streitet und gegenseitig beleidigt. Diesmal sind Sie derjenige, der zu heftig reagiert hat und Sie haben deswegen auch ein schlechtes Gewissen. Allerdings sind Sie auch verärgert über den, der Sie so gereizt hat. Wie könnten Sie in so einer Situation am besten reagieren? Gehen Sie in einem ruhigen Moment auf den anderen zu. Sagen Sie unumwunden, dass es Ihnen leidtut. Verzichten Sie auf Rechtfertigungen. Wenn auf eine Entschuldigung gleich wieder eine Anklage folgt, wird Ihr Gegenüber keine Lust haben, mit Ihnen noch weiter zu sprechen. Denken Sie darüber nach, wie Sie Entgleisungen in Zukunft vermeiden wollen. Schieben Sie dabei die Verantwortung nicht auf den anderen. Überlegen Sie, was Sie selbst tun können. Vielleicht regt sich bei der anderen Person die Einsicht, dass sie ebenfalls zum Streit beigetragen hat – vielleicht aber auch nicht. Beharren Sei nicht darauf, die Schuld zu teilen. Für Ihren Anteil am Geschehen haben Sie jedenfalls die Verantwortung übernommen, und das ist das Wichtigste. Wenn Sie sich bei Ihrem Kind entschuldigen, geben Sie ihm ein gutes Beispiel dafür, wie es selbst reagieren kann, wenn es etwas falsch gemacht hat. Es lernt, dass eine Entschuldigung nicht entwürdigend ist, sondern sich daraus im besten Fall sogar ein gutes Gespräch entwickeln kann, bei dem auch wieder Nähe entsteht. Wenn sich Ihr Kind bei Ihnen entschuldigt, und sei es noch so unbeholfen, nehmen Sie diese Entschuldigung an. Ihr Kind musste schließlich dafür über seinen eigenen Schatten springen. Nehmen Sie es in den Arm und verzeihen Sie ihm. Überlegen Sie aber auch gemeinsam, wie Sie es in Zukunft schaffen könnten, freundlicher und liebevoller miteinander umzugehen. 3

Die Realschule In bayerischen Realschulen werden Kinder von der fünften bis zur zehnten Klasse unterrichtet. Sie vermitteln Allgemeinbildung und bereiten auf einen späteren Beruf vor. Es ist also die geeignete Schulform für Kinder und Jugendliche, die gleichermaßen theoretisch wie praktisch interessiert sind. Ab der siebten Klasse können Schüler zwischen verschiedenen Fachrichtungen, den Wahlpflichtfächergruppen, wählen: Mathematik – Naturwissenschaft – Technik: Neben Mathematik, Physik und Chemie werden auch Informationstechnologie, Technisches Zeichnen, Textverarbeitung und Informatik unterrichtet. Wirtschaft: Dazu gehören die Fächer Rechnungswesen, Wirtschaft, Betriebswirtschaftslehre, Recht sowie Informationstechnologie mit Schwerpunkt Textverarbeitung. Schwerpunkt zweite Fremdsprache (Französisch): Hier lernen die Schüler nicht nur die Sprache selbst, sondern auch etwas über das Land Frankreich und dessen Kultur. Für einen späteren Übertritt ans Gymnasium kann die zweite Fremdsprache sehr hilfreich sein. Der musisch-gestaltende, der hauswirtschaftliche sowie der soziale Zweig sind weitere Alternativen. Die Schüler wählen hier ein entsprechendes Profilfach (Gestaltung, Haushalt und Ernährung oder Sozialwesen). Die Wahlpflichtfächer sollen Schüler gezielt auf ihr Berufslebenvorbereiten. So qualifiziert der mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Bereich für einen technischen Beruf oder auch eine Tätigkeit im Bereich Informatik. Auch für den Übertritt in den technischen Zweig einer Fach- oder Berufsoberschule ist er von Vorteil. Der Schüler mit dem Schwerpunkt Wirtschaft wird sich beruflich eher im Bereich des Bank- und Versicherungswesens oder der Verwaltung orientieren. Auch Unternehmen der freien Wirtschaft bilden im kaufmännischen Bereich aus. Die Fachoberschule oder Berufsoberschule bauen im Bereich Wirtschaft auf den in diesem Zweig erworbenen Kenntnissen auf. 4

Nach der Mittleren Reife ist noch lange nicht Schluss. Die zweite Fremdsprache ist sinnvoll für alle, die einen Beruf in den Bereichen Touristik, Wirtschaft, Dienstleistung oder Industrie (etwa als Fremdsprachenkorrespondent) ergreifen möchten. Für den Erwerb des allgemeinen Abiturs ist eine zweite Fremdsprache ebenfalls nötig. Schüler, die sich für den sozialen, handwerklich-gestaltenden oder auch hauswirtschaftlichen Bereich entschieden haben, werden später vielleicht ebenfalls in einem entsprechenden Beruf arbeiten wollen: Im sozialen Bereich könnte man beispielsweise eine Erzieher- oder Krankenpflegeausbildung anstreben, im gestalterischen Bereich eine Ausbildung zum Dekorateur oder WebDesigner machen. Mögliche Berufe im hauswirtschaftlichen Bereich wären zum Beispiel Koch, Diätkoch oder -assistent oder auch Hotelfachmann. Überdies gibt es die Möglichkeit, im Anschluss an die Realschule an einer Fachoberschule oder Berufsoberschule für Soziales oder für Gestaltung zum Fachabitur oder zur allgemeinen Hochschulreife zu gelangen. Durch seine Wahlpflichtfächer wird man übrigens nicht vorzeitig festgelegt. Nach wie vor werden neben den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik viele andere Fächer unterrichtet. 80 Prozent des Unterrichts sind für alle Realschülerinnen und Realschüler gleich, ganz unabhängig davon, was sie gewählt haben. Auch mit einem Schwerpunkt etwa im Bereich Wirtschaft kann sich Ihr Kind später noch anders orientieren. Es kann sich etwa im sozialen oder mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich weiterqualifizieren oder aber auch gleich eine Ausbildung beginnen. 5

Fragen Sie au ch Ihr Kind! Falsche Schulwahl Ihr Kind geht jetzt seit einiger Zeit auf eine neue Schule, aber irgendwie will es nicht so recht klappen. Es ist überfordert, die Noten sind mäßig bis schlecht, insgesamt fühlt es sich nicht wohl. Was tun? Sprechen Sie zunächst mit der Klassenleitung und den Lehrkräften der Fächer, in denen sich Ihr Kind besonders schwertut. Versuchen Sie gemeinsam herauszufinden, woran es denn liegen könnte, dass die Leistungen nicht so gut sind. Überlegen Sie selbst: Muss Ihr Kind, um zur neuen Schule zu kommen, sehr früh aufstehen und ist es darum in der Schule häufig müde? Ist es durch familiäre Probleme oder Veränderungen stark gefordert? Sprechen Sie mit Ihrem Kind: Fühlt es sich zum Beispiel unter seinen neuen Mitschülern nicht wohl? Braucht es mehr Unterstützung dabei, sein Lernen zu organisieren? Oder hat es Probleme, den Lernstoff zu verstehen? Das Ergebnis all dieser Überlegungen könnte auch sein, dass Sie sich bei der Schulwahl geirrt haben. Vielleicht wäre Ihre Tochter auf der Realschule viel besser aufgehoben als auf dem Gymnasium, oder würde sich Ihr Sohn an der Mittelschule sehr viel wohler fühlen und besser lernen als auf der Realschule. Vielleicht hapert es ja auch nur in einem einzigen Fach. Wenn Ihre Tochter zum Beispiel mit der dritten Fremdsprache auf Kriegsfuß steht, sonst aber eine halbwegs gute Schülerin ist, spricht nichts dagegen, den Schulzweig zu wechseln. Dazu wird sie zwar eine Klasse wiederholen müssen, aber im natur- oder sozialwissenschaftlichen Zweig könnte sie in Zukunft dann bessere Noten schreiben. Und wenn Ihr Sohn in der Realschule schlechte Noten in kaufmännischem Rechnen und Buchführung hat, ist er vielleicht im technischen oder im sozialen Zweig erfolgreicher. Auch an der Mittelschule können Schwerpunkte gewählt und, falls notwendig, verändert werden. Es muss auch nicht jeder Mittelschüler am Mittlere-Reife-Zug den Abschluss machen. Es gibt auch die sogenannten P-Klassen, die Praxisklassen, die für praktisch orientierte Schüler den ge6

Versu chen Sie nichts zu erzwingen. © TeroVesalainen / Pixabay.com eigneten Unterricht anbieten. Mithilfe von Förderunterricht kann außerdem versucht werden, auch die leistungsschwächeren Schüler möglichst gut beim Lernen zu unterstützen. Versuchen Sie nicht, Ihr Kind um alles in der Welt in einer Schule zu halten, in der es leistungsmäßig überfordert ist. Sie wollen mit Sicherheit das Beste für Ihr Kind, aber Sie tun ihm damit keinen Gefallen. Das Selbstbewusstsein eines Kindes leidet, wenn es immer wieder Misserfolge hat. Mit einem schlechten Selbstwertgefühl lernt es sich noch schwerer. Der Spaß an Schule und neuem Wissen bleibt auf der Strecke. Viele Kinder blühen jedoch buchstäblich auf, wenn sie zum Beispiel vom Gymnasium auf eine Realschule wechseln und plötzlich viel bessere Noten schreiben. Das bayerische Schulsystem ist durchlässig genug, dass jeder Schulabschluss auch noch später nachgeholt werden kann. Manche Kinder müssen innerlich erst noch reifen, bevor sie sich für einen höheren Schulabschluss entscheiden können. Wieder andere sind froh und glücklich, wenn sie in der Praxis endlich mit anpacken können, anstatt noch länger die ungeliebte Schulbank drücken zu müssen. 7

Die meisten Unfälle passieren mit dem Auto auf Strecken unter 5 km! Der neue Schulweg Während die Grundschule oft noch in Fußnähe lag, sind weiterführende Schulen meist etwas weiter vom Wohnort entfernt. Morgens sieht man deshalb viele Schüler mit dem Fahrrad auf den Straßen. Manche halten sich an die Verkehrsregeln, andere weniger. Es stellt sich also die Frage, wie Ihr Kind am sichersten in die Schule kommt. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind sicher, zuverlässig und umweltschonend. Schüler beklagen zwar des Öfteren, dass Schulbusse sehr voll oder manche Busverbindungen zu umständlich seien. Dennoch sind Bus und Bahn, vor allem im Winter, die sicherste Möglichkeit, zur Schule und wieder nach Hause zu kommen. Seine Kinder mit dem Auto zur Schule zu bringen, ist unökologisch und nicht so sicher, wie man glauben möchte. Wenn nach Schulschluss am Mittag die Autos in zweiter Reihe kreuz und quer durcheinander parken, sich dazwischen die Fahrräder und Mofas schlängeln und sich auch noch Kinder in dieses Getümmel stürzen, kann von Sicherheit kaum mehr die Rede sein. Darum der Appell an die Eltern: Halten Sie lieber hundert Meter von der Schule entfernt und lassen Sie Ihr Kind den Rest des Weges zu Fuß gehen. Gerade im Sommer bei schönem Wetter möchten auch viele Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Viele Eltern sehen diesen Wunsch mit gemischten Gefühlen. Eine eindeutige Empfehlung kann es hier auch nicht geben. Es hängt vieles davon ab, wie der Schulweg Ihres Kindes beschaffen ist. Leben Sie in einer Großstadt oder auf dem Land, gibt es einen Radweg und gesicherte Übergänge oder ist der Weg zur Schule gefährlich? Wie sicher ist Ihr Kind auf dem Fahrrad? Machen Sie als Familie öfter Radausflüge oder fährt Ihr Kind nur ein wenig im eigenen Viertel herum? In der Grundschule hat Ihr Kind im Rahmen der Verkehrserziehung gelernt, wie man sich mit dem Fahrrad richtig im Verkehr bewegt. Das bedeutet aber nur, dass es grundsätzlich die Regeln kennen sollte. Wenn es nun eigenverantwortlich im Straßenverkehr unterwegs ist, müssen Sie als Eltern in jedem Fall noch ein8

Ohne Vorbereitung geht es nicht . mal genau überprüfen, ob Ihr Kind dazu in der Lage ist. Auch wenn Sie der Meinung sind, dass der Schulweg nicht zu gefährlich ist, Ihr Kind sicher Rad fährt und die Verkehrsregeln kennt und beachtet, sollten Sie es dennoch auf den Schulweg vorbereiten: Fahren Sie mit Ihrem Kind die Strecke zur Schule ab, wenn nötig, auch mehrmals. Machen Sie es auf die Gefahren aufmerksam, vereinbaren Sie, dass es die sicheren Übergänge wählt und an gefährlichen Stellen (auch unmittelbar vor dem Schulhaus, wo Gedränge herrscht) sein Fahrrad schiebt. Lassen Sie Ihr Kind vorausfahren, ohne ihm Tipps zu geben, und überprüfen Sie, ob es den Weg gut findet, sich den Regeln entsprechend verhält und sicher fährt. Sie können Ihr Kind, wenn Sie möchten und die Zeit dazu haben, auch über mehrere Tage oder Wochen hinweg mit dem Fahrrad zur Schule begleiten, bis es die nötige Sicherheit hat. Bestehen Sie auf jeden Fall auf einem Fahrradhelm! Rüsten Sie das Rad Ihres Kindes verkehrssicher aus: mit funktionierenden Bremsen, mit Vorder- und Rücklicht sowie mit Katzenaugen, sodass Ihr Kind auch in der Dämmerung gut gesehen wird. Ein fest montierter Korb am Gepäckträger ist sinnvoll, damit Ihr Kind seine Schultasche besser transportieren kann und sie ihm nicht unversehens auf die Straße fällt. Ob Sie Ihr Kind mit dem Fahrrad zur Schule fahren lassen, ist immer auch eine sehr persönliche Entscheidung. Bei allen Vorsichtsmaßnahmen wird es die absolute Sicherheit nicht geben. 9

Die Geschichte im TV wird Teil des eigenen Lebens. Die Daily Soap Will Ihr Kind jetzt abends noch aufbleiben und mit Ihnen die Nachrichten oder einen Film im Fernsehen anschauen? Ihr Kind ist kein Kleinkind mehr und die üblichen Kindersendungen gehören jetzt der Vergangenheit an. Die „Sendung mit der Maus“ oder andere Kindersendungen sind out, stattdessen schaut Ihr Kind lieber die Vorabendkrimis oder eine der vielen Seifenopern, die „Soaps“, die tagtäglich die Kanäle füllen. Während die Jungen weniger anfällig sind und sich eher Comics oder Zeichentrickserien anschauen, wird so manches Mädchen süchtig nach ihrer Daily Soap. Es sitzen bereits 80 Prozent aller 12- bis 13-Jährigen Tag für Tag pünktlich vor dem Fernseher, um ihre Lieblingssendung ja nicht zu verpassen. Sie fiebern mit, wenn ihr Lieblingsstar Knatsch mit der besten Freundin hat und vergießen so manche Träne, wenn sie deren ersten Liebeskummer miterleben. Sie wollen keine Folge versäumen, leben buchstäblich mit, machen das Leben ihrer Stars zu ihrem eigenen. Und am nächsten Tag wird das Gesehene auf dem Schulhof diskutiert. Man tauscht sich mit den Freundinnen darüber aus, was passiert ist und wie es wohl am nächsten Tag weitergehen wird. Dass besonders die Mädchen auf Dailys fixiert sind, ist für die Medien-Experten leicht zu erklären. Während das sonstige Fernsehprogramm von Männern dominiert wird, sind bei den Soaps mehr Frauen vertreten. Die Darstellerinnen sind meistens berufstätig und in einen großen Freundeskreis oder diverse Liebesbeziehungen eingebunden. Sie haben mit typischen Alltagsproblemen zu kämpfen, meistern mittlere Katastrophen und werden auch mit den schwersten Schicksalsschlägen fertig. So werden sie oft zu Rollenvorbildern für ihre Zuschauerinnen. 10

© Jan Vašek / Pixabay.com Mit ihrer Themensetzung treffen die Seifenopern den Nerv vieler pubertierender Mädchen, die mit ihren eigenen Gefühlen noch auf unsicherem Boden stehen. In den Dailys suchen sie nach ihren Themen, nach ihren Vorbildern und Erfahrungen. Sie wollen wissen, wie andere Menschen leben und mit bestimmten Situationen umgehen. Ganz gezielt wählen sie Sendungen aus, in denen sie Antworten auf ihre Themen zu finden hoffen. Ob deren Lösungsangebote auch realitätsgerecht sind, können Sie am besten mit Ihrer Tochter diskutieren, wenn Sie die Serie ab und zu mitgucken. Für Ihre Tochter ist es eine nette neue Erfahrung, mit Ihnen ein gemeinsames Gesprächsthema zu haben, bei dem sie sich tausendmal besser auskennt als Sie. Bisher war es ja leider meistens umgekehrt, was einem heranwachsenden Kind nicht zu Unrecht mit der Zeit auf die Nerven geht. Lassen Sie Ihrer Tochter ihren Spaß und versuchen Sie, in den Diskussionen über das Für und Wider der töchterlichen Lieblingsserien nicht zu überheblich zu wirken. 11

Leute wie du und ich werden zu Stars. Popstar oder Topmodel? Neben den Daily-Soaps gibt es gerade für Eltern mit Töchtern noch eine besondere Herausforderung – die Castingshows. TVSender gehen regelmäßig auf Talentsuche und suchen die angeblich besten Sänger oder schönsten Mädchen Deutschlands. Tausende von Jugendlichen melden sich jedes Jahr zum Vorsingen und ebenso viele Schönheiten bewerben sich bei den Modelshows. Es dauert Monate, bis sich die besten Sänger und Sängerinnen oder die zehn schönsten Mädchen durchgesetzt haben. Und die Kamera ist immer hautnah dabei. Jede Niederlage, jeder Sieg wird übertragen. Und im Wohnzimmer fiebern die Kinder und Jugendlichen mit. Nicht wenige von ihnen hegen im Geheimen nur einen Wunsch – sie wollen auch Deutschlands nächster Superstar werden. In vielen Familien bilden sich Fangemeinden. Sie schauen gemeinsam die Show und machen ihren Favoriten aus. Heftig wird diskutiert, wer nun gewinnen wird oder wer jetzt endlich die Show verlassen sollte. Für Gesprächsstoff sorgt auch die Art und Weise, wie mit den Bewerbern umgegangen wird. Sie werden teilweise gezielt bloßgestellt und gedemütigt. Manche Juroren werten sie mit derben Kommentaren ab und machen sie zur Lachnummer der TV-Nation. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich: Manche Kinder sind darüber empört und leiden mit, andere schließen sich der öffentlichen Häme an. Reden Sie mit Ihren Kindern darüber. Hinterfragen Sie das Verhalten der Jury und machen Sie ihnen klar, dass sie selbst so bestimmt nicht behandelt werden wollten. Einer der Gründe für die Faszination von Castingshows ist, so Medienexperten, dass Kinder und Jugendliche erleben, wie normale Jugendliche wie sie selbst zum Star werden. Darüber hinaus sind sie davon überzeugt, in den Sendungen lernen zu können, worauf es im richtigen Leben ankommt: nämlich immer an sich zu glauben und für die Verwirklichung seines Traums sein Bestes zu geben. Ein Großteil der neun- bis elfjährigen Zuschauer von Model-Casting-Shows ist davon überzeugt, dass die Sendung tatsächlich zeigt, was man tun muss, um im Leben Erfolg zu haben. Besonders Mädchen glauben, dass eine Modelkarriere auch für sie 12

Show und richtiges Leben haben nichts miteinander zu tun. Betrachten Sie als Eltern die Begeisterung Ihrer Kinder mit einer gewissen Sorge? Befürchten Sie, dass sich Ihr Kind im Superstar-Fieber verliert und sich sofort nach seinem 16. Geburtstag zum nächsten Casting anmeldet? Nur die Ruhe. Im Laufe der Zeit verfliegt auch die größte Begeisterung. Kinder werden größer und durchschauen mit der Zeit diese Art von Sendungen. Sie stellen die immer gleiche Machart fest, kritisieren den inszenierten Zickenkrieg unter den Kandidatinnen und nehmen genüsslich die Moderatoren auseinander. Vieles erkennen sie dann als „fake“, also als unecht, und fühlen sich so richtig an der Nase herumgeführt. Am besten gehen Sie gelassen mit dem Thema um. Schauen Sie ruhig einmal mit, damit Sie mitreden können. Und diskutieren Sie mit Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn danach über die Sendung. Hinterfragen Sie bestimmte Praktiken. Nicht zuletzt dadurch lernen Ihre Kinder, die eigene Kritikfähigkeit zu entwickeln. ein sinnvoller Weg sein könnte. Moderatoren und Jury gewähren scheinbar einen Blick hinter die Kulissen, zeigen den Zuschauern, was Profis angeblich von ihren Kandidatinnen erwarten. Und sie vermitteln, dass man alles erreichen kann, wenn man nur richtig will. Vorausgesetzt, man bringt das nötige Talent mit, hält sich an die Regeln und erfüllt alle gestellten Aufgaben ohne Widerspruch. Dass die Show kaum etwas mit der Realität, dem anstrengenden Alltag eines echten Models oder Sängers, geschweige denn mit der Lebenswelt eines mündigen Bürgers zu tun hat, wird natürlich nicht klar. 13

Bei alten Menschen ist es normal, dass sie sterben – aber bei jungen...? Wenn Menschen sterben... Naturkatastrophen oder Kriege in fernen Ländern irgendwo auf der Welt belasten Elfjährige noch nicht wirklich. Was weit weg passiert, hat noch zu wenig mit ihrem Leben zu tun. Ereignet sich aber ein Unglück in Deutschland, zum Beispiel ein Amoklauf an einer Schule, wird Ihr Kind hellhörig und stellt Fragen. Nehmen Sie Ihr Kind mit seinen Fragen ernst. Weichen Sie nicht aus, sondern antworten Sie einfach und klar. Auch auf die Frage, ob denn ein Amoklauf auch an der eigenen Schule passieren könnte. Seien Sie aufrichtig und sagen Sie Ihrem Kind, dass so etwas zwar sehr unwahrscheinlich, aber auch nicht auszuschließen ist. Um keine Ängste zu schüren, könnten Sie Ihrem Kind versprechen, sich zu informieren. An vielen Schulen gibt es inzwischen Notfallpläne, die festlegen, wie Lehrer und Schüler sich in einer Krisensituation verhalten sollten. Das Wissen darum wird Ihr Kind und auch Sie beruhigen. Ihre eigenen Ängste und Sorgen müssen Sie vor Ihrem Kind nicht verbergen, es spürt sie sowieso. Natürlich sollten Sie vor dem Kind keine Schreckensszenarien an die Wand malen, sprechen Sie aber ruhig aus, was Sie manchmal beunruhigt oder bedrückt. Heimlichkeiten oder gar Lügen würden Ihrem Kind wesentlich mehr Angst einflößen. Wahrscheinlicher als ein Amoklauf oder eine andere große Katastrophe ist jedoch der Tod eines Mitschülers, etwa durch einen Unfall oder durch eine schwere Krankheit. Gestern hat man noch zusammen gelacht – und plötzlich fehlt der Banknachbar oder die beste Freundin. Das ist für alle Kinder unfassbar. Die wenigsten unter ihnen haben den Tod bisher bewusst und nah erlebt. Betraf er doch bisher nur ganz alte Menschen, von denen man ja wusste und darauf vorbereitet war, dass sie eines Tages sterben könnten. 14

Der Tod von Freunden kann Kinder völlig aus der Bahn wer fen. © Anemone123 / Pixabay.com Kinder können oft nicht darüber sprechen, was in ihnen vorgeht. Sie sind traurig, manchmal auch aggressiv. Viele kapseln sich ab und versuchen, alleine mit der Trauer fertig zu werden. Eltern, aber auch Lehrer sind jetzt besonders wichtig. Einerseits gilt es, das Kind normal zu behandeln, andererseits aber auch behutsam auf seinen Verlust einzugehen. Diese schwierige Situation erfordert von allen Erwachsenen im sozialen Umfeld des Kindes viel Fingerspitzengefühl. Vielleicht wird das Kind über das Geschehene von sich aus sprechen wollen, vielleicht weigert es sich aber auch. Trotzdem muss es sich mit dem Tod auseinandersetzen und ihn verarbeiten. Nur so kann es über seine Trauer wirklich hinwegkommen, ohne die belastenden Gefühle einfach nur zu verdrängen. Eine professionelle Trauerbegleitung kann dabei eine große Hilfe für das Kind und seine Familie sein. Wenden Sie sich an die Schulpsychologin, an Wohlfahrtsverbände oder auch die Kirchen. 15

B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim Online-Ratgeber „BAER“, www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Erziehungsberatung Erziehungs-, Familien- oder psychologische Beratungsstellen gibt es in nahezu jeder Stadt. Eine regionale Übersicht finden Sie unter: www.erziehungsberatung.bayern.de sowie www.lag-bayern.de/erziehungsberatung Auch Ihr zuständiges Jugendamt hilft gerne weiter. Realschule Auf www.schulberatung.bayern.de finden Sie nähere Informationen. Mediennutzung / Medienerziehung Kinder und Jugendliche medienkompetent erziehen. Auf www.baer.bayern.de/medienbriefe finden Sie Tipps und Anregungen. Trauernde Kinder Mehr Informationen unter: www.notfallseelsorge.de Im nächsten Elternbrief: – Die Pubertät und ihre Phasen – Wenn der Busen wächst – Was passiert im Monatszyklus? – Cooler Papa, doofe Mama? – Rund um die Schule: Die Ganztagsschule – Das Gymnasium – „Ich mag nicht in den Hort!“ – Facebook – nicht ohne Risiko Die Elternbriefe werden gefördert durch: 38 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202138

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