Elternbrief Nr. 13

Ein Kind spielt, wo es geht und steht . B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T 13 INHALT Immer alles selber machen! „Selba, selba!“ Hören Sie diese Ansage auch zigmal am Tag? Will sich Ihr Kind jetzt auch immer selber anziehen und sein Brot alleine schmieren? Will es jetzt überhaupt alles selber machen? Das ist ganz normal! Ihr Kind wird von Tag zu Tag selbstständiger und will sich und auch Ihnen beweisen, was es schon kann. Selbst wenn nicht alles auf 2 Jahre 9 Monate Anhieb klappt – nehmen Sie ihm nicht zu viel ab, auch wenn vieles ein bisschen länger dauert. Haben Sie Geduld! Vor allem: Entmutigen Sie Ihr Kind nicht. Bestätigen Sie es und loben Sie es. So stärken Sie sein Selbstvertrauen. So wird es selbstbewusst und selbstständig. 1 So spielt Ihr Kind 5 Zeit für den Kindergarten 7 Abschied vom Schnuller 8 Wiedereinstieg in den Beruf 10 Zwillinge und Mehrlinge 14 Was tun, wenn es kriselt? Ihr Kind spielt immer und überall: Es klettert beim Spaziergang auf kleine Mäuerchen oder kriecht durch ein liegen gebliebenes Rohr, daheim verwandelt es sich mit Farbstiften in einen Clown oder schnappt sich jede alte Pappschachtel, die es in die Finger bekommen kann – alles wird zum Spielen genutzt. Kinder wollen nämlich ihre Umwelt entdecken und verstehen. Im Spiel machen sie sich mit unbekannten Dingen, Menschen, Ereignissen vertraut. Dabei gehen sie mit allen Sinnen vor: Sie sehen, höBriefe

Im Spiel können Kinder Rollen erproben. verschiedene ren, riechen, schmecken, greifen. Durch Erproben entsteht Erfahrung. Diese Erfahrung wird mit bereits vorhandenem Wissen verknüpft und auf andere Situationen übertragen: So lernen Kinder, die Bedeutung von Dingen, Menschen und Ereignissen zu erkennen und ihrem eigenen Leben sinnvoll zuzuordnen. Die Neugierde treibt Ihr Kind an. Im Kontakt mit Ihnen und seiner Umwelt wird diese Neugierde immer wieder angestachelt und aufrechterhalten. Spielen ist also kein bloßer Zeitvertreib, Spielen beinhaltet Lernen, den Erwerb sozialer Fähigkeiten, das Erproben verschiedener Rollen, das Verständnis neuer Dinge… Kinder, die viel und intensiv spielen, erwerben Fähigkeiten und Fertigkeiten, die notwendig sind, um ein selbstständiges und selbstverantwortliches Leben zu führen. Spielen unterstützt die Lernfreude und Lernmotivation. Beim Spielen können sich Kinder Erfolgserlebnisse holen. Platz zum Spielen Ihr Kind wird sich immer noch gerne in Ihrer Nähe aufhalten. Darum empfiehlt es sich, es auch in Wohnzimmer und Küche spielen zu lassen. Dort braucht es einen Platz, wo es möglichst ungestört spielen kann. Aber auch das eigene Zimmer wird für Ihr Kind immer interessanter. Besonders wenn es Besuch von Spielfreunden hat, werden sich die Kinder vielleicht gerne mal wieder ins Kinderzimmer zurückziehen. Hat Ihr Kind kein eigenes Zimmer, ist eine eigene Spielecke sinnvoll. Mit einem Regal oder einer Spielekiste und einem kleinen Tisch zum Malen und Basteln ist so eine Spielecke ein beliebter Anlaufpunkt für Ihr Kind. Für Spiele, die viel Platz brauchen, können Sie Ihr Kind immer mal wieder auch Wohnzimmer oder Flur benutzen lassen. Da kann auch die Küche schon mal zur Raumstation werden. Es ist sehr wichtig, hier Toleranz zu zeigen. Natürlich muss nach Ende des Spiels aufgeräumt werden. Im eigenen Zimmer kann die Raumstation aber ruhig einige Tage aufgebaut bleiben. Aber nur so lange, bis das Spiel beendet ist. 2

Genügend Freizeit Kleine Kinder spielen durchschnittlich sieben bis neun Stunden am Tag. Im Spiel lernen sie Ausdauer und Konzentration. Es ist gar nicht notwendig, den Tag mit möglichst vielen verschiedenen Aktivitäten zu verplanen. Ihr Kind braucht Zeit, die nicht organisiert ist. Keine Angst vor Langeweile! Sie ist meist der Übergang zu einer neuen Idee. Anregung, Ermutigung, Lob Obwohl Ihr Kind nun schon einen mehr oder weniger langen Zeitabschnitt alleine spielen kann, braucht es manchmal noch Anregungen von Ihnen. Oft genügt schon ein kleiner Anstoß, damit ein Kind wieder in ein Spiel findet. Hat es mit dem Spiel begonnen, können Sie sich langsam zurückziehen. Hin und wieder braucht es vielleicht Unterstützung. Helfen Sie ihm so lange, bis es selber weitermachen kann. Es ist gut, wenn ein Kind auch alleine spielen kann! Begutachten Sie die Dinge, die Ihr Kind geschaffen hat. Nehmen Sie sich Zeit, mit ihm beispielsweise über ein Bild zu sprechen, sich Dinge erklären zu lassen. Und loben Sie Ihr Kind: „Das hast du wirklich gut gemacht.“ Ruhe und Rückzug Kinder, die in ein Spiel vertieft sind, stört es oft sehr, wenn sie unterbrochen werden. Sie können das Spiel dann schwer wieder aufnehmen. Selbst wenn Sie es gut meinen und beispielsweise einen Apfel anbieten – den kann Ihr Kind auch später essen. Geben Sie Ihrem Kind, je älter es wird, mehr und mehr Gelegenheit, allein zu spielen. Das fördert die Selbstständigkeit. Besonders wichtig ist dies, wenn Ihr Kind in einer Kita oder bei einer Tagesmutter betreut wird oder schon jetzt den Kindergarten besucht. Dann ist es tagsüber mit Kindern zusammen und bekommt – auch durch die Betreuungspersonen – viele Anregungen. Umso mehr wird es die Zeit des allein Spielens genießen. 3

Ein Berg von Spielsachen über forder t ein Kind! Nur nicht zu viel schenken Überschütten Sie Ihr Kind nicht mit Spielsachen. Die Auswahl fällt ihm sonst zu schwer. Kinder wissen dann nicht, was sie zuerst spielen sollen und beschäftigen sich nicht mehr intensiv mit einer Sache. Drängen Sie Ihr Kind auch nicht, das Spielzeug zu wechseln. Hat es auf eine Sache keine Lust mehr, wird es von allein damit aufhören. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo – auch beim Spielen. Anregungen sind nur dann sinnvoll, wenn Ihr Kind lustlos wird und nicht weiß, was es als Nächstes tun könnte. Manche Kinder mögen bestimmte Spielsachen nicht. Sie als Eltern können vielleicht nicht glauben, dass Ihr Kind die wunderbare Kasperlefigur völlig ignoriert. Es kann (zumindest im Moment) in seiner Fantasiewelt eben nichts damit anfangen. Gut möglich, dass das Kasperletheater zu einem späteren Zeitpunkt aktuell wird. Oft mögen Kinder Spielsachen aber auch deshalb nicht, weil ihnen die Farbe, der Geruch oder irgendeine andere Kleinigkeit daran nicht gefällt. Nicht ständig anleiten Auch wenn Ihr Kind große Bauklötze auf kleine stellt und der ganze Turm umfällt, es hat etwas gelernt. Lassen Sie Ihr Kind selbst ausprobieren. Helfen Sie erst, wenn es nicht mehr weiter weiß. Präsentieren Sie aber keine fertige Lösung. Wenn Sie den Turm für Ihr Kind aufbauen, hat es nichts davon. Der Turm soll ja nicht gebaut werden, damit er einfach da steht. Nicht kritisieren Die meisten Kinder mögen es, wenn ihnen kleine Hilfen beim Spiel gegeben werden. Tun Sie dies aber mit Zurückhaltung und Augenmaß. Verbessern Sie Ihr Kind nicht ständig und ungefragt. Wenn Sie zu stark in sein Spiel eingreifen, verliert es an Selbstvertrauen. Es wagt dann nicht mehr so oft, seinen eigenen Einfällen zu folgen und traut sich auch sonst weniger zu. Unterstützen Sie Ihr Kind also, wenn es Sie darum bittet und bewerten Sie das, was es gebaut, gemalt oder gebastelt hat, nicht negativ. Ihr Kind spielt! Freuen Sie sich darüber und entmutigen Sie es nicht. 4

Spielfreunde einladen Ihr Kind kann von sich aus noch keine Freundschaften pflegen und entsprechend organisieren. Unterstützen Sie es also dabei. Laden Sie andere Kinder, beispielsweise aus der Spielgruppe, zu sich nach Hause ein. Oder bringen Sie Ihr Kind ruhig einmal zu einem Freund oder einer Freundin – nach Absprache mit den Eltern des anderen Kindes. Besuchen Sie mit Ihrem Kind einen Spielplatz, möglichst in der Nähe Ihrer Wohnung. Dort kann es Kinder aus seinem direkten Wohnumfeld kennenlernen, die es dann öfter treffen wird. Zeit für den Kindergarten Ihr Kind wird nun bald drei Jahre alt. Wenn Sie es bisher zu Hause betreut haben, kann es sein, dass gelegentlich Langeweile aufkommt und es sehr viel mehr Anregungen braucht. An seinem Spielverhalten merken Sie vielleicht schon, dass es ihm zu Hause manchmal zu eng wird. Das ist völlig in Ordnung und ein wichtiger Schritt in der kindlichen Entwicklung: Ab dem Alter von drei Jahren löst sich ein Kind Stück für Stück von seinen vertrauten Bezugspersonen. Es öffnet sich für Neues. Andere Kinder sind nun hochinteressant. In Ohne andere Kinder wird es jetzt schnell langweilig. © RamadhanNotonegoro / Pixabay.com 5

Der Kindergarten förder t soziales Verhalten. ersten Spielfreundschaften werden wichtige soziale Erfahrungen gemacht. Der Kindergarten bietet Ihrem Kind die Möglichkeit, andere Kinder kennenzulernen und seinen Platz in einer Gruppe zu finden. Spielerische und kreative Angebote regen seine Fantasie an. Die sozialen Fähigkeiten, die ein Kind im Kindergarten trainieren kann, helfen ihm, sich später in der Schule zurechtzufinden. Wenn Sie Ihr Kind mit drei Jahren in den Kindergarten geben wollen, sollten Sie sich spätestens jetzt um einen Platz bemühen. Welchen Kindergarten Sie wählen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Viele Eltern nehmen den Kindergarten, der ihrer Wohnung am nächsten liegt. Das garantiert kurze Wege und den Kontakt mit Kindern aus der Nachbarschaft. So hat Ihr Kind auch außerhalb der Kindergartenzeiten Spielgefährten in seiner Nähe. Wenn Sie bestimmte pädagogische Vorstellungen davon haben, wie Ihr Kind betreut werden soll, müssen Sie sich mit den verschiedenen Konzepten auseinandersetzen – vom Montessori-Kindergarten bis zum konfessionellen Kindergarten, vom WaldorfKindergarten bis zum Kinderladen oder Waldkindergarten. Fragen Sie genau nach, lassen Sie sich das Konzept noch einmal erklären und überlegen dann, ob das Weltbild und die damit verbundene pädagogische Richtung zu Ihrer Lebensform und zu Ihrem Kind passen. Viele Kindergärten bieten neuen Kindern die Möglichkeit, ein paar Wochen vor dem eigentlichen Kindergarteneintritt schon besuchsweise ein paar Stunden in einer Gruppe zu verbringen. Oft ist es auch möglich, dass ein Elternteil mit dabeibleibt. Nutzen Sie diese Möglichkeit, es erleichtert Ihrem Kind den Einstieg und verschafft ihm einen realistischen Eindruck von dem, was es erwartet. Gemeinsame Vorbereitung Für Ihr Kind ist es wichtig, sich auf den neuen Lebensabschnitt einzustellen. Sprechen Sie mit ihm oft über den Kindergarten. Suchen Sie gemeinsam die Dinge aus, die es für den Kindergarten braucht, zum Beispiel Brotzeittasche, Malkittel, Hausschuhe. Was Sie selbst besorgen können, erfahren Sie von den Erzieherinnen. Mit entsprechenden Kinderbüchern oder modernen Kinderliedern können Sie Ihr Kind gut auf den bevorstehenden Kindergartenbesuch einstimmen. 6

Abschied vom Schnuller Haben Sie vielleicht noch ein „Schnullerkind“ zu Hause? Dann ist mit dem Beginn des Kindergartens der Zeitpunkt gekommen, Ihrem Kind zu helfen, sich vom Schnuller zu entwöhnen. Sprechen Sie mit ihm darüber. Erklären Sie ihm, dass es jetzt schon groß ist und den Schnuller doch eigentlich gar nicht mehr braucht. Auch ein Besuch im künftigen Kindergarten kann Wunder wirken: Ihr Kind kann dort andere Kinder ohne Schnuller erleben und einen Eindruck davon bekommen, wie abwechslungsreich ein Kindergartentag abläuft. Es wird dann hoffentlich einsehen, dass ihm sein Schnuller eigentlich nur im Weg sein würde. Packen Sie Ihr Kind bei seinem Ehrgeiz, indem Sie es bestärken: „Das schaffst du, du kannst das!“ Dennoch wird der Abschied nicht leicht werden. Der Schnuller hat Ihr Kleines schließlich sein ganzes bisheriges Leben lang begleitet. Es erfordert Ihre Geduld und Überzeugungskraft, um ihm oder ihr den Abschied zu erleichtern. • Geben Sie den Schnuller nur noch zu bestimmten Zeiten, etwa zum Einschlafen. Entfernen Sie ihn, sobald Ihr Kind eingeschlafen ist. • Kürzen Sie den Schnuller. Wenn Sie davon jeden Tag ein paar Millimeter abschneiden, wird das Nuckeln bald keinen Spaß mehr machen. • Kaufen Sie keine Schnuller mehr nach. So merkt Ihr Kind, dass die Schnullerzeit zu Ende geht. Wenn Sie das Thema „Schnuller“ mit Ihrem Kind genügend besprochen haben, ist der Zeitpunkt für den endgültigen Abschied gekommen. Viele Eltern bringen jetzt die Schnullerfee ins Spiel. Wenn ein Kind hört, dass die Schnullerfee dringend Schnuller für die neuen Babys braucht, ist es oft eher bereit, seinen eigenen Schnuller abzugeben. Schließlich ist es ja kein Baby mehr! Lassen Sie Ihr Kind den Schuller abends an eine gut sichtbare Stelle legen, damit „die Schnullerfee nicht lange suchen muss“. Am nächsten Morgen sollte der Schnuller weg sein und stattdessen ein kleines Geschenk dort liegen. Sie können den Schnuller auch gemeinsam vergraben oder sich ein anderes Ritual ausdenken. Für welche Methode auch immer Sie sich entscheiden, am Ende sollte es eine kleine Belohnung geben. 7

Sie müssen sich auf betreuung verdie Kinderlassen können. Wiedereinstieg in den Beruf Wenn man Kinder hat, stellt sich auch die Frage, ob und wann man wieder in den Beruf einsteigen sollte. Eine Patentlösung gibt es dafür nicht, denn es hängt von Ihren persönlichen Bedürfnissen, Ihrer beruflichen Situation und auch von den finanziellen Gegebenheiten ab, ob Sie gern möglichst lange bei Ihrem Kind zu Hause bleiben oder doch lieber wieder arbeiten gehen möchten. Falls Sie sich für einen baldigen Wiedereinstieg in den Beruf entscheiden, gilt es einiges zu beachten und vorzubereiten. Generell gilt: Je kürzer die Babypause, desto einfacher ist es, wieder in den Beruf zurückzukehren! Wo auch immer Sie gearbeitet haben, die Weichen für den späteren Wiedereinstieg sollten schon vor der Geburt des Kindes gestellt werden. Wann immer Sie wieder in den Beruf einsteigen, es bedeutet für Sie und Ihr Kind eine Zäsur. Sie stehen nicht mehr 24 Stunden zur Verfügung, sondern müssen für die Zeit, in der Sie woanders arbeiten, Vorkehrungen treffen. Dazu gehört natürlich eine gute und verlässliche Kinderbetreuung. Wenn Ihr Beruf hohe Flexibilität erfordert, muss auch die Kinderbetreuung darauf abgestimmt sein. Bei vielen Kindergärten gibt es eine sogenannte Randzeitenbetreuung. Erkundigen Sie sich, denn ein Kindergarten mit zu starren Bring- und Abholzeiten ist für Sie nicht geeignet! Wichtig ist auch, einen Plan B für mögliche Ausnahmesituationen zu haben. Etwa, wenn Sie Ihr Kind nicht rechtzeitig abholen können, weil noch Überstunden anfallen oder eine Besprechung länger dauert. Für diesen oder ähnliche Fälle müssen Sie einen verlässlichen Partner haben, der für Sie einspringen kann. Vielleicht kann Ihr Partner früher gehen und das Kind vom Kindergarten abholen. Vielleicht sind auch Oma und Opa in der Nähe, oder eine gute Freundin kann sich um Ihr Kind kümmern. Vielleicht konnten Sie auch schon Kontakte zu anderen Müttern knüpfen und eine von ihnen bitten, Ihr Kind mitzunehmen und noch eine Weile zu betreuen. Stellen Sie sicher, dass Ihr Plan B nicht aus zu vielen „Vielleichts“ besteht! Im Zweifel ist ein „verlässlicher Partner“ besser als viele „unsichere Optionen“. Der Plan muss im Notfall auch funktionieren. Das gibt Ihnen und auch Ihrem Kind Sicherheit. 8

© beegaia / Pixabay.com Das ist wichtig, bevor Sie wieder zu arbeiten beginnen Entlastung daheim Binden Sie Ihren Partner oder auch die größeren Kinder stärker in die Hausarbeit mit ein. Gutes Gewissen Viele wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die Fremdbetreuung auch kleinen Kindern nicht schadet. Im Gegenteil: Kinder genießen die Zeit mit anderen Kindern, und die Eltern sind durch die Berufstätigkeit ausgeglichener. Netzwerke Wer arbeitet und eine Familie versorgen muss, braucht dringend ein Netz von Freundinnen und Bekannten, die sich gegenseitig unter die Arme greifen. Wenn Sie gerade umgezogen und ganz neu in Ihrer Gegend sind, dann wenden Sie sich an ein Mütterzentrum, eine Familienbildungsstätte oder eine Eltern-Kind-Gruppe in der Nähe. Dort finden Sie bestimmt Anschluss. 9

Zwillinge - doppeltes Glück Vielleicht gehören Sie zu den Eltern, die das Glück und den Stress, die ein Kind bedeuten, gleich doppelt erleben: mit Zwillingen. Als Eltern von Zwillingen haben Sie in den letzten zweieinhalb Jahren sehr viel geleistet. Anfänglich die Pflege, das Stillen oder Fläschchen geben, später zwei Krabbelkinder, dann zwei Kinder, die ständig in unterschiedliche Richtungen laufen, die mehr oder weniger gleichzeitig zu sprechen beginnen – all das verlangte von Ihnen bislang ein sehr stabiles Nervenkostüm. Nun rückt also langsam der Egal, ob Ihre Kinder eineiige Kindergarten in greifbare Nähe oder zweieiige Zwillinge sind: Jeund Ihre Kinder werden sich mehr des von ihnen ist ein eigener kleiund mehr auch außerhalb der Fa- ner Mensch, mit eigenen Vorliemilie bewegen. Sie werden Freun- ben, Neigungen und Talenten, eide und Freundinnen finden, ande- nem eigenen Temperament. Sie re Kinder zu sich einladen, mit an- als Eltern wissen das natürlich, deren Erwachsenen wie zum Bei- aber außerhalb des Elternhauses spiel ihren Erzieherinnen zu tun werden Zwillinge, besonders die haben und damit auch ihre eige- eineiigen, oft als etwas Besondene, unverwechselbare Persön- res und oft auch als eine Art Einlichkeit weiterentwickeln. heit wahrgenommen. Sie können Gleich aussehen bedeutet nicht gleich sein! © ZBFS - Bayerisches Landesjugendamt 10

dem vorbeugen und jedes Ihrer beiden Kinder bei seiner persönlichen Entwicklung entsprechend unterstützen. – Eltern kennen ihre Kinder am besten: Überlegen Sie, ob der Besuch einer gemeinsamen Kindergartengruppe für Ihre Kinder besser ist oder ob ihnen getrennte Gruppen mehr liegen. Manche Kinder brauchen die Anwesenheit ihres Zwillingsgeschwisters sehr, anderen tut eine zeitweise Trennung gut. – Andere Frisuren oder unterschiedliche Kleidung helfen Ihren Kindern, auch außerhalb der Familie als eigenständige Personen wahrgenommen zu werden. – Lassen Sie die Kinder ihre eigenen Freundschaften pflegen. So kann zum Beispiel der eine Zwilling eine Freundin besuchen, während der andere bei Ihnen zu Hause spielt oder Sie bei Besorgungen begleitet. – Sprechen Sie Ihre Zwillingskinder einzeln mit ihrem Namen an. Das fördert bei den Kindern das Gefühl, einzigartig zu sein und ist auch für andere Personen außerhalb der Familie ein gutes Vorbild. Entwicklung Zwillinge entwickeln manchmal eine eigene Sprache, die oft nicht einmal die Eltern verstehen. Diese Geheimsprache ist eine einfach strukturierte Sprache, die mit Gestik und Mimik verbunden ist. Da die Kinder sich so recht gut untereinander verständigen können, kann es sein, dass sie erst später anfangen richtig zu sprechen. Achten Sie also darauf, dass Ihre Zwillingskinder auch mit anderen Personen sprechen und so angehalten sind, sich der „normalen“ Sprache zu bedienen. Die Zwillingssprache verliert sich dann meist gegen Ende des dritten Lebensjahres. Auch in anderen Bereichen kann sich die Entwicklung von Zwillingen verzögern: Größe und Gewicht sind oft geringer als bei Altersgenossen. Auch Krabbeln und Laufen lernen Zwillinge meist etwas später. Das ist völlig normal, solche Rückstände können Zwillingskinder im Verlauf der nächsten zwei, drei Jahre gut aufholen. Wenn Sie bei Ihren Kindern regelmäßig die Vorsorgeuntersuchungen machen lassen, können Sie sicher sein, dass es Ihren Zwillingen gut geht und sich beide gleich gut entwickeln. 11

Unternehmen Sie au ch mit alleine etwas. einem Kind Drillinge und mehr Manche Eltern erleben Kinder-Glück und Kinder-Stress auch drei- und vierfach. Besonders bei Paaren, die sich einer Hormonbehandlung oder einer künstlichen Befruchtung unterzogen haben, kann es sein, dass aus einem Wunschkind gleich drei, vier oder sogar mehr werden. Für die Entwicklung von Mehrlingen gilt grundsätzlich dasselbe wie für Zwillingskinder, nur ist die Unterstützung der Individualität des einzelnen Kindes viel schwerer umzusetzen. Mehrlinge beispielsweise in jeweils einer anderen Kindergartengruppe unterzubringen, schafft sehr viel Unruhe in einer Familie und ergibt wenig Sinn. Mehr noch als Zwillingskinder muss sich ein Mehrlingskind die Aufmerksamkeit der Eltern ständig mit allen anderen teilen. Darum: Unternehmen Sie auch einmal etwas mit nur einem Kind. Ihr Kind genießt es, im Mittelpunkt zu stehen und auch Sie als Eltern profitieren: So können Sie Ihr Kind einmal ganz anders erleben. Selbstverständlich müssen alle Kinder einmal drankommen. Dann fühlt sich keines ungerecht behandelt und kann sich auf ein paar ungestörte Stunden mit Mama oder Papa freuen. Eine Kinderschar, ob sie nun aus Mehrlingen, Zwillingen oder mehreren Geschwistern besteht, ist meist der Mittelpunkt der Familie. Die Themen, über die gesprochen wird, werden vermutlich von den Kindern bestimmt sein. Entwicklung, Eigenarten, aber auch alltägliche Probleme können besprochen werden. In diesem Zusammenhang ist auch ein Austausch mit anderen Menschen wichtig. So veranstalten Familienbildungsstätten im Rahmen ihrer Eltern-Kind-Programme in regelmäßigen Abständen Treffen, bei denen sich Familien mit Zwillingen oder Mehrlingen austauschen und vernetzen können. Mehrlingseltern Die Entwicklungen in Ihrer Familie sind wichtig, aber nehmen Sie sich auch Zeit mit Ihrem Partner. Um wieder Kraft und Ruhe zu tanken, ist es notwendig, dass die Eltern sich über andere Dinge als die Kinder und die Familie austauschen und auch einmal etwas ohne ihre Großfamilie unternehmen. Versuchen Sie wenigstens einmal in der Woche einen Termin mit Ihrem Partner zu vereinbaren, der nur Ihnen beiden zur Verfügung steht. Das kann ein gemeinsames Abendessen sein, 12

Unternehmen Sie au ch schöne Dinge ohne Ihre Kinder! wenn die Kinder schlafen, oder vielleicht auch mal ein Kinobesuch am Wochenende. Vielleicht freuen sich die Großeltern, Ihre Geschwister oder auch Freunde, Ihre Kinder einen Abend lang zu betreuen. Sie können auch einen Babysitter organisieren. Aber der kostet natürlich Geld. Unterstützung für Mehrlingsfamilien Mehrlinge können für die meisten Familien eine ganz erhebliche finanzielle Belastung bedeuten: Von Kinderbett und Kinderwagen über Drei- oder Laufräder bis hin zur Kleidung muss alles in mehrfacher Ausführung besorgt werden. Viele Familien sind damit einfach überfordert. Finanzielle Unterstützung können Sie bei der Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“ finden. Ein Antrag auf Hilfe muss vor dem dritten Geburtstag der Kinder gestellt werden. • Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Landesstiftung pro Mehrlingskind einmalig 515 Euro gewähren. • Wer zeitweise Hilfe im Haushalt braucht, kann dort über die Dauer von bis zu zwölf Monaten einen Zuschuss beantragen. • Das Kolpingwerk Bayern veranstaltet mehrmals im Jahr Urlaubswochen für Mehrlings- und Großfamilien. Im Mittelpunkt eines siebentägigen Aufenthalts in speziellen Familienhotels steht die Vernetzung der Familien. Eltern von Drillingen, Vierlingen oder mehr Kindern können sich dabei kennenlernen, austauschen, gegenseitig unterstützen und gemeinsame Unternehmungen planen. (Stand 2018) 13

Seien Sie ehrlich zueinander! Was tun, wenn es kriselt? In den letzten drei Jahren hat sich in Ihrem Leben eine Menge verändert. Sie haben viel mehr Verantwortung als früher, Sie müssen sich in Vielem nach Ihrem Kind richten, sich mit Ihrem Partner, Ihrer Partnerin absprechen und zusammenarbeiten. Bei vielen Paaren mit kleinen Kindern kommt die Beziehung erst einmal zu kurz. Dann kann es zu ernsten Krisen kommen. Es ist gut, wenn Sie rechtzeitig erkennen, dass Ihre Partnerschaft im Alltag zu leiden begonnen hat, denn dann können Sie beide entsprechend gegensteuern: durch ehrliche Gespräche, mehr gemeinsame Unternehmungen, durch mehr Achtsamkeit für die Bedürfnisse des anderen. Aber was tun, wenn das alles nicht mehr ausreicht? Wenn die Kluft zwischen Ihnen als Partner schon so groß geworden ist, dass © rawpixel.com / Pixabay.com sie schier unüberwindlich scheint? Wenn Gespräche immer öfters im Streit enden? Einer von Ihnen sich innerlich bereits verabschiedet hat? – Auch wenn Sie manchmal am liebsten davonlaufen möchten: Geben Sie sich Zeit, genau hinzuschauen. Liegt es wirklich am Partner oder ist es der Alltag, der Ihnen zu schaffen macht? Was bräuchten Sie beide, damit Sie sich wieder wohler miteinander fühlen? – Versuchen Sie, Ihre Beziehung wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Nehmen Sie sich Zeit füreinander, aber geben Sie dem anderen auch Raum für seine eigenen Interessen. 14

– Sprechen Sie miteinander und hören Sie einander zu. Wenn das Gespräch zum Streit wird, verschieben Sie es auf einen späteren Termin, wenn Sie sich beide wieder beruhigt haben. – Vermeiden Sie „Gesprächsmarathons“, die sich über viele Stunden hinziehen. Was Sie in einer Stunde Gespräch nicht gelöst haben, werden Sie zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr hinbekommen. Lassen Sie ein paar Tage vergehen und versuchen Sie es noch einmal. – Suchen Sie sich Unterstützung: Ehe- und Familienberatungsstellen gibt es fast in jeder Stadt. Sie beraten kostenlos und vertraulich. Mit einer neutralen und kompetenten Person lassen sich Konflikte fairer und konstruktiver austragen, zudem bekommen Sie Hilfe und Anregungen, wie Sie Ihr gemeinsames Leben besser gestalten können. – Verzichten Sie auf Verbündete aus dem engeren Umfeld: Weder Eltern noch Schwiegereltern sind geeignet, um mit Ihnen Eheprobleme zu besprechen. Sie wären doch immer auch parteiisch. Bedenken Sie auch, dass es das Verhältnis Ihres Partners, Ihrer Partnerin zu den eingeweihten Personen so belasten kann, dass das einer Versöhnung dann im Weg steht. – Geben Sie Ihre Beziehung nicht vorzeitig verloren, sondern versuchen Sie, gemeinsam einen Weg aus der Krise zu finden. Manchmal allerdings ist die Situation so verfahren, dass Trennungals der einzig mögliche Weg erscheint: Wenn Streit oder Gewalt in der Familie vorherrschen, wenn die Kinder unter dem vergifteten Klima leiden, wenn Sie beide anhaltend unglücklich und belastet sind und alle Rettungsversuche scheitern. Sehr oft ist es auch der Partner, der den Schlussstrich unter die Beziehung setzt und Sie gar keine Möglichkeit mehr haben, diese Entscheidung zu beeinflussen. Dann hat es auch wenig Sinn, zu kämpfen und den anderen möglicherweise unter Druck zu setzen. Auch wenn die Trennung nicht von Ihnen ausgeht, werden Sie sie wohl oder übel akzeptieren müssen. Informationen zu Trennung und Scheidung und darüber, wie Sie Ihrem Kind helfen können, damit fertig zu werden, bekommen Sie im nächsten Elternbrief. 15

D FSC www.'9c.org Bayerisches Staatsministerium für Famil ie, Arbeit und Sozia les MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC• C108626 ClimatePartner0 klimaneutral DruckllD:10822-1408-1001 B A Y E R I S C H E S L A N D E S J U G E N D A M T Weitere Informationen: Die Elternbriefe können Sie auch online lesen, herunterladen oder als Newsletter abonnieren: beim Online-Ratgeber „BAER“, www.baer.bayern.de, des Bayerischen Landesjugendamtes. Dort finden Sie auch weitere ausführliche Informationen zu vielen der hier genannten Themen. Beruflicher Wiedereinstieg Weitere Information bekommen Sie auf der Webseite: www.arbeitsagentur.de, bei der örtlichen Agentur für Arbeit. Mütterzentren und Familienbildungsstätten Die Adressen finden Sie auf www.blja.bayern.de/service/ adressen/einrichtungen, der Homepage des Bayerischen Landesjugendamtes Mehrlingsgeburten Mehrlingstreffen: Kolpingwerk Landesverband Bayern e.V., Familienreferentin, Tel. 08666 / 98 59 28. Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“ www.zbfs.bayern.de/familie/ hilfe-muki/ Ehe-, Beziehungs- und Familienprobleme Auf der Website www.stmas.bayern.de/eheberatung/ index.php, des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales finden Sie eine Liste der regionalen Ehe- und Familienberatungsstellen. Sie können sich auch an die Familienbildungsstätten wenden. Diese bieten Kurse mit Kinderbetreuung an: www.familienbildung-by.de/ – Nach der Trennung – Adoption – Vorsorgeuntersuchung U7a Im nächsten Elternbrief – Kindergartenstart – Der Alltag ändert sich – Spielzeug ab 3 – Papa wohnt jetzt woanders Die Elternbriefe werden gefördert durch: 13 Herausgegeben vom Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) V.i.S.d.P.: Hans Reinfelder Postanschrift: Postfach 400260 80702 München www.blja.bayern.de Überreicht durch Ihr Jugendamt Illustrationen: Birgit Baude, München – Druck: MKL Druck © Bayerisches Landesjugendamt, Stand: Januar 2022 ISBN 3-935960-23-9 Artikelnummer: 10202113

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